Warum ich lese

Vor einiger Zeit hat Sandro von novelero die Frage, warum wir eigentlich lesen, in die Literaturblogszene geworfen. Viele Blogger_innen haben bereits geantwortet. Jetzt möchte ich mich anschließen.

Warum ich lese

In meinem Studium der Angewandten Literaturwissenschaft werden wir Studierende ab und an auch gern gefragt: Warum liebt ihr Literatur? Warum lest ihr überhaupt? Sich diesen Fragen zu stellen, ist wohl essentiell, wenn man vorhat, in der Buchbranche irgendwie Fuß zu fassen. Trotzdem herrscht nach solchen Fragen zunächst oft betretenes Schweigen. Auch ich hatte bis dato nie so richtig darüber nachgedacht, warum ich eigentlich lese. Das Lesen gehört schon seit meiner Kindheit zu mir. Seit ich Lesen gelernt habe, las ich einfach, ganz ohne Hinterfragen. In der Grundschule ging es los. Erst kam die Fibel, dann ging es weiter mit Büchern von Christine Nöstlinger, Peter Härtling und Mirjam Pressler. Besonders mochte ich auch die Reihe Der kleine Vampir und irgendwann war ich dann bei Harry Potter angelangt. Ich war Stammgast in unserer Stadtbibliothek, die es mittlerweile in dem kleinen Ort, aus dem ich komme, nicht mehr gibt. Aber bevor ich hier zu nostalgisch werde, komme ich wohl lieber zurück zu der Ausgangsfrage: Warum lese ich eigentlich?

Als Kind und Jugendliche las ich vor allem, um mich wegzuträumen. Eskapismus. Eine andere Welt entdecken und erleben. Ich liebte (und liebe es noch heute), mich in andere Figuren hineinzufühlen und mir zu den geschriebenen Sätzen eigene Bilder zu erspinnen. Ich muss zugeben, dass in meiner Heimatstadt nicht besonders viel los war. Das Internet hatte in unserer Wohnung noch keinen Einzug gehalten. Also war Lesen der beste Zeitvertreib für mich. Als ich dann aufs Gymnasium kam, änderte ich meinen Anspruch an Literatur langsam. Während viele meiner Mitschüler_innen nörgelten über die zu lesenden Werke im Deutschunterricht, fand ich großen Gefallen daran. Ich mochte den Werther, Die verlorene Ehre der Katharina Blum und Kabale und Liebe — bis heute im übrigen (außer Frau Jenny Treibel, sterbenslangweilig!). Schnell begriff ich, dass uns die Klassiker der Weltliteratur heute immer noch etwas zu sagen haben und das Lesen eben jener auch sehr prestigeträchtig sein kann. Ich las also, um mich zu bilden. Um Querverweise verstehen zu können. Um historische Zusammenhänge zu begreifen. Und auch ein wenig, um danach sagen zu können, ich habe Brecht oder ähnliches gelesen. Also auch ein bisschen, um anzugeben.

Seitdem ich mich im Masterstudiengang befinde, hat sich wieder einiges getan in meinem Umgang mit Literatur. In letzter Zeit lese ich fast nur noch moderne Werke, zumeist Neuerscheinungen. Das tue ich vor allem, um am aktuellen Diskurs über Literatur teilnehmen zu können, aber auch, um zu sehen, welche neuen Spielarten das geschriebene Wort immer noch bietet. Manchmal scheint es, als wäre bereits jedes Thema durchgekaut oder alle stilistischen Experimente durchgespielt und dann kommt doch wieder ein Buch, das die Branche in Aufruhr versetzt und mich neugierig macht.

Mittlerweile lese ich auch, weil ich es einfach spannend finde, wie Menschen mit Sprache umgehen und mit ihr spielen. Literatur schafft es mitunter, komplexe Gedankengänge in wunderbare Rahmenhandlungen zu verpacken. Anders als bei einem Sachbuch kann Belletristik zum Grübeln anregen und dabei noch unglaublich kreativ und überraschend sein. Lesen ist für mich an einen ständigen Wissenszuwachs gekoppelt, den mir kein anderes Medium als das Buch auf diese Art geben kann. Zudem öffnet es meinen Blick in viele verschiedene Richtungen. Ich glaube auch, dass Lesen hilft, sich selbst und andere Menschen besser zu verstehen. Damals zu Schulzeiten wie heute ist mir unbegreiflich, warum manche Menschen sich komplett gegen das Lesen verschließen. Aber das ist wohl ein ganz anderes Kapitel.

Abschließend bleibt mir nur zu sagen: Lest und erfreut euch an den Wörtern, die in euren Köpfen zu Bildern werden!

Kategorie Blog, Mischmasch
Autor

Aufgewachsen im schönen Brandenburg lernte ich schon früh die ländliche Einöde lieben und verteufeln zugleich. Heute kehre ich immer wieder gern heim, wohne allerdings lieber in urbanen Räumen. Lesen geht ja zum Glück überall und bietet Ausflüge in diverse Welten. Hier schreibe ich über meine Lektüren.

6 Kommentare

  1. Wie wäre es mit religiösen Aspekten? Anders als „Werther“, heiligte Goethe die Sehnsucht nach Lotte Buff nicht mit dem Freitod, sondern er trieb sein Liebesleben in viele andere Richtungen weiter und immer weiter… Wem die BIBEL zu uncool ist, der holt sich das Hohelied Salomos über die Belletristik zur Hintertür herein.

  2. Das hast du ganz wunderbar geschrieben und Du sprichst mir an verschiedenen Stellen aus der Seele. Ich habe auch schon als Kind viel gelesen und mich in andere Welten geträumt. Auch heute ist ein Leben ohne Bücher für mich unvorstellbar. Lesen beflügelt die Phantasie! Lesen macht empathisch! LG, Eva

  3. Hehe ich musste an einigen Stellen echt schmunzeln?
    Ich glaube, dass ich lese, weil es mich glücklich macht. Aber WARUM? Gute Frage! Ein Buch in die Hand zu nehmen, hat irgendwie etwas Gemütliches und vielleicht fühle ich mich erst durch ein Buch so richtig zu Hause. Kein Plan. Wirklich nicht! Aber eins steht fest: Ich werde nie damit aufhören?

    • Ja, da hast du recht. Lesen ist für mich auch eine Art Wohlfühltätigkeit. Während mich das pausenlose Auf-den-Bildschirm-Gestarre manchmal echt fertig macht, beruhigt es dagegen total, ein Buch zu lesen. Deshalb bevorzuge ich auch immer noch das gedruckte Buch, Last hin oder her. 🙂

Kommentar verfassen