Steffen Bach: ist es eine ebene?

Ist es eine Ebene? Oder sind es zwei bis unendlich viele, die in Steffen Bachs Debüt stecken? Halb Lyrik, halb Prosa – ist es eine ebene? ist ein kleines Mischwesen, das vor Kurzem im noch sehr jungen Verschlag Verlag in Göttingen erschien und auch gestalterisch erfrischend verschiedene Gesichter zeigt.

Steffen Bach: ist es eine ebene?

ist das ein hochplateau? / ist es eine ebene?

Bereits im ersten Gedicht des Bandes wird die titelgebende Frage noch einmal aufgegriffen, eine Antwort gibt es allerdings nicht. Kann es auch nicht geben. Steffen Bach verknüpft in seinem Debüt zahlreiche Ebenen miteinander und spielt mit den verschiedensten Stilelementen und Schreibverfahren. Besonders im Teil A des Buches, dem Lyrikteil, kommt die Lust des Autors am Spiel mit Sprache und Stil zur Geltung.

So bedient er sich althergebrachter Formate wie der Naturlyrik und setzt diese in Kontrast zur lauten, stressigen Stadtwelt. Dabei entstehen dann so schöne Sätze wie „im wald ist es nur deshalb friedlich, weil pflanzen nicht schreien können“. Dass Bach aber auch ganz klassische Naturbeschreibungen beherrscht, beweist er in „estland ii“, welches zu einem meiner Lieblingsgedichte des Bands zählt:

in pärnu / es gibt mehrere birken, es gibt einen asphalt, es gibt den geruch nach kohlenrauch. / es gibt feuchte luft, es gibt einen grauen himmel, es gibt einen beton, / der bröckelig ist. es gibt eine scheibe, die zerborsten ist.

Obwohl ich noch nie in Estland war, habe ich mich beim Lesen des Gedichts dem Land doch sehr nah gefühlt. Ich hatte den Eindruck ein altes, verstecktes Estland fern der größeren Städte hier erleben zu können. Bachs Verse wirken manchmal sehr einfach, doch liegt genau in dieser Einfachheit das Besondere seiner Lyrik. Nur so kann Bachs Lust am Fabulieren in eine Deutungslust auf Seiten der Lesenden übergehen.

Neben melancholischen und düsteren Tönen schlägt Bach allerdings zumeist eher witzige Klänge an. Er bedient sich ungeniert der Fäkalsprache, wenn er in „göttingen ii“ über seinen Wohnort schreibt. Auf lustige und charmante Weise stellt er in „alltag“ Heinrich Bölls heutige Nichtigkeit für den aktuellen Literaturbetrieb heraus. (Warum ist das eigentlich so?) In „hamburg i“ spielt der Autor mit Auslassungen, die mich fast in den Wahnsinn getrieben hätten und mit „being as bonkers as schlingensief“ legt er ein Gedicht vor, das unverkennbar zur Lautpoesie gezählt werden kann.

Zu meinen absoluten Lieblingsstücken aus ist es eine ebene? zählt ohne Zweifel „5 von 5 sternen/farbe: schwarz/verifizierter kauf“, welches gleichzeitig eine Kundenrezension ist, in der der Käufer ganz wunderbar detailliert über seine neu erworbenen Schutzbleche berichtet. Bach hat also auch die Intertextualität nicht vergessen und bringt mich mit diesem Sahnestück besonders zum Schmunzeln. Sowieso ist der Lyrikteil von ist es eine ebene? stark von Ironie und Sarkasmus durchzogen. Ihren Höhepunkt findet dies in „21tes jahrhundert mann“. Dieses Gedicht trieft geradeso vor gnadenloser Blasiertheit.

gib mir einfach was / zu tun, einen ort wo ich sein kann und unendlich / nachschub an leicht bekleideten / frauen; das reicht dann schon.

Im B-Teil des Buches folgen dann zwei Erzählungen. In „salon13 oder A Week Away“ geht es um einen Ich-Erzähler, der eine WG-Party schmeißt und gewisse Probleme mit Frauen hat. Alles in allem hat mich diese Kurzgeschichte vom Stil an eine Mischung aus Oberflächlichkeit à la Stuckrad-Barre und der pubertären Unsicherheit von Holden Caulfield erinnert.

In der zweiten Geschichte mit dem Titel „One Night in Seesen“ begleiten wir Tobi, der leider den letzten Zug zurück nach Göttingen verpasst hat und nun in dem kleinen Seesen gestrandet ist. Dort schlägt er sich die Nacht um die Ohren und lernt lauter interessante und skurrile Figuren kennen. Beide Erzählungen sind witzig und haben einen jeweils ganz eigenen Stil, doch für mich kommen sie nicht an Bachs Lyrik heran, die mir wesentlich besser gefallen hat.

Auch gestalterisch hat ist es eine ebene? einiges zu bieten. Ein verspieltes Cover, eine hübsche Klappenbroschur im handlichen Format und als Sahnehäubchen zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotografien, die verschiedenste Ecken von Göttingen zeigen – hier waren Liebhaber hübscher Buchausgaben am Werk. Dass Steffen Bach seit einigen Jahren in Göttingen studiert und lebt, merkt man also nicht nur seinen Texten an.

Dennoch ist dieses Buch nicht nur was für echte Göttingen-Fans, sondern auch für Liebhaber der jungen, experimentellen Literatur. ist es eine ebene? ist ein abwechslungsreiches, aufregendes Buch, das trotz kleiner Schwächen ein wahrer Schatz ist. Ein Lob geht raus an den Verschlag Verlag. Dafür, dass sie jungen Autor*innen einen Raum geben zum Ausprobieren. Bei Steffen Bach hat sich dieser Mut mehr als gelohnt.

Steffen Bach: ist es eine ebene?

Steffen Bach

ist es eine ebene?

Verschlag Verlag

102 Seiten | 12,– Euro

Erschienen 2017

Kategorie Blog, Indiebooks, Lyrisches, Rezensionen
Autor

Aufgewachsen im schönen Brandenburg lernte ich schon früh die ländliche Einöde lieben und verteufeln zugleich. Heute kehre ich immer wieder gern heim, wohne allerdings lieber in urbanen Räumen. Lesen geht ja zum Glück überall und bietet Ausflüge in diverse Welten. Hier schreibe ich über meine Lektüren.

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