FreundInnen lesen #9: Das achte Leben (Für Brilka)

Über ein Jahr ist nichts mehr passiert in meiner geliebten Kategorie FreundInnen lesen. Schande! Umso schöner, dass sie nun mit meiner Freundin Annabelle in eine neue Runde geht. Wir teilen nämlich nicht nur die Liebe zur Literatur, sondern auch unseren Herkunftsort, die brandenburgische Hood. Ich gebe viel auf Annabelles Lesegeschmack und werde mich – trotzdem mir Die Katze und der General gerade nicht besonders gefällt – bald an Brilka machen und voll und ganz auf den Buchtipp aus der Hood vertrauen. Vorhang auf für Annabelle und Das achte Leben (Für Brilka):

FreundInnen lesen #9: Das achte Leben (Für Brilka)

Nino Haratischwili
Das achte Leben (Für Brilka)
Roman
Frankfurter Verlagsanstalt
2014

Das Besondere?

Das achte Leben (Für Brilka) ist ein Generationenroman, der von sieben Frauen der georgischen Familie Jaschi erzählt und mich an die großen Familienromane der Weltliteratur erinnert, an Thomas Manns Buddenbrooks oder Leo Tolstois Anna Karenina. Den Rahmen der Erzählung bildet die verhängnisvolle sowjetische Geschichte des 20. Jahrhunderts, von der Russischen Revolution über die Ära Stalin, den Großen Vaterländischen Krieg zu Glasnost und Perestroika. Der Roman verfällt aber nicht in langatmige historische Darstellungen, sondern schafft immer wieder den Absprung in eine magische, märchenhafte Welt vor einem beeindruckenden Kaukasus-Setting, in der die Figuren spätestens dann schwach werden, wenn es um eine nach geheimer Rezeptur der Familie Jaschi hergestellte heiße Schokolade geht. In den »Genuss« ihrer Auswirkungen kommen auch historische Persönlichkeiten wie der sowjetische Geheimdienstchef Lawrenti Beria. Ich finde es beeindruckend und großartig, wie Nino Haratischwili auf diese Art reale und fiktive Stränge miteinander verknüpft. Die großen zwischenmenschlichen Dramen (Liebe, Hass, Gier, Verrat – alles, was ein gutes Familienepos braucht) sorgen für hohes Suchtpotenzial.

Für wen?

Für alle, die sich von einer Geschichte mitreißen lassen können. Und für die mit Durchhaltevermögen – es handelt sich immerhin um 1279 Seiten …

Jahreszeitenlektüre?

Die Unhandlichkeit dieses Wälzers schreit danach, zuhause im Lesesessel gelesen zu werden und auch die Thematik rund um die heiße Schokolade deutet klar auf Winterlektüre hin.

Song zum Buch?

Als ich 2016 im Kaukasus unterwegs war, war »Lost on you« der Sommerhit, der an jeder Ecke gespielt wurde. Und so verknüpfe ich Georgien immer mit dieser Pop-Ballade. Wenn ich mir jetzt noch einmal den Text genau ansehe, passt das auch irgendwie zum Buch.

Lieblingszitat?

»Durchlebe alle Kriege. Passiere alle Grenzen. Ich widme dir alle Götter und alle Rosenkränze, alle Verbrennungen, alle geköpften Hoffnungen, alle Geschichten. Durchbreche sie. Denn du hast die Mittel dazu, Brilka. Die Acht, denke daran. In dieser Zahl werden wir alle für immer miteinander verwoben sein und immer aneinander lauschen können, durch die Jahrhunderte hindurch. Du wirst es können. Sei alles, was wir waren und nicht waren. Sei ein Leutnant, eine Seiltänzerin, ein Matrose, eine Schauspielerin, ein Filmemacher, eine Pianistin, eine Geliebte, eine Mutter, eine Krankenschwester, eine Schriftstellerin, sei rot und weiß oder blau, sei Chaos und Himmel und sei sie und ich und sei all dies nicht, tanze vor allem unzählige Pas de deux. Durchbrich diese Geschichte und lass sie hinter dir.«

Vielen Dank, liebe Annabelle.

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