Ronja von Rönne: Wir kommen

Ich spare mir an dieser Stelle das Vorgeplänkel zur Person Ronja von Rönne. Ich denke, zur Autorin von Wir kommen (Aufbau Verlag) ist in den letzten Wochen und Monaten genug gesagt worden. Viel mehr möchte ich lediglich ihren Roman betrachten, losgelöst von jeglicher (Anti-) Feminismusdebatte. Der Schutzumschlag ihres Buches verspricht ein „radikales Buch, rasend komisch in seiner Verzweiflung und poetisch in seiner Grausamkeit“. Aber manchmal werden Versprechen eben auch gebrochen.

Ronja von Rönne Wir kommen

Der Plot ist schnell erzählt. Nora ist die Hauptfigur in Wir kommen. Sie befindet sich in einer polyamorösen Beziehung mit Karl, Jonas und Leonie. Letztere hat zudem eine kleine Tochter, Vater unbekannt. Alle zusammen sind gelangweilt vom Stadtleben und haben ihr jeweils eigenes Päckchen zu tragen. Nora hat Panikattacken, Jonas ist depressiv, Leonie essgestört und Karl sehr unsicher. Nora ist zudem ein wenig besorgt, denn ihre Freundin Maja soll gestorben sein. Die vier Endzwanziger beschließen, ans Meer zu fahren. Mit an Bord ist ebenfalls eine Schildkröte. Tiere kommen ja in Romanen immer gut. Auch im Urlaub kommt die Tristesse wieder und die Einsicht, dass diese Vierer-Konstellation nicht mehr lange hält. Ein letzter Versuch wird unternommen, um die Polyamorie der zwei Paare zu retten: eine Party. Zwischendurch schweift Ich-Erzählerin Nora immer wieder in die Vergangenheit ab und berichtet von ihrer Jugend mit Maja.

Da kommt vieles zusammen auf knapp 200 Seiten. Die Story wirkt überladen und das ist für mich schon der erste Schwachpunkt der Geschichte. Auch die vier ProtagonistInnen sind mir nicht sympathisch, viel schlimmer noch: Sie sind mir egal. Einzig Maja stellt sich nach und nach als eine interessante Figur heraus, die wirklich etwas vermittelt und sich nicht nur in leere Worthülsen ergießt. Doch leider bekommen wir sie als LeserInnen nur in der Rückschau zu Gesicht. So summieren sich diese Rückblenden zum spannendsten Erzählstrang der gesamten Geschichte, während die Haupterzählung leise und bedeutungslos vor sich hin plätschert. Dabei verliert sich die unendlich passive Ich-Erzählerin Nora in blasse Pointen, die bei mir nur ein irritiertes Stirnrunzeln hervorrufen:

Karl schrie, wir seien Freunde zum Pferdestehlen, dabei ist das natürlich Quatsch, wozu sollen wir denn Pferde stehlen, ich kann nicht einmal reiten, solche Freunde brauch ich nicht, auf irgendeiner niedersächsischen Weide, mit zwei Shetlandponys am Halfter […].

Der Versuch, lässig und unangestrengt witzig zu sein verkehrt sich leider ins Gegenteil und scheitert somit. Wir kommen prangert Phrasendrescherei an und ergeht sich letztendlich in eben solcher. Die ständigen Wiederholungen, vor allem Anaphern, sind da auch keine Lösung und eher ermüdend:

Über dem Eingang war ein breites Schild angebracht: „Brötchen aus Leidenschaft!“ Ich hätte lieber Brötchen aus Teig gehabt, Brötchen, die Brötchen waren, in einer Papiertüte und außen knusprig und innen weich.

Vielleicht steckt ja wirklich viel Wahres über die Endzwanziger-Generation in Ronja von Rönnes Buch. Ich konnte es nur leider nicht entdecken. Der ganze Plot ist unglaublich klischeebeladen. Das wäre erst einmal nicht so schlimm. Nur leider wurden diese Generationenklischees (Orientierungslosigkeit, Überforderung durch Überangebot, sexuelles Austoben, Hinterfragen des Konzepts „Liebe“, Depressivität etc.) bereits in so vielen Büchern der Popliteratur verarbeitet, dass von Rönnes Buch wenig innovativ wirkt. Es sticht einfach nicht heraus und hat mich teilweise sehr gelangweilt. Wahrscheinlich war die Autorin beim Schreiben selbst ein wenig gelangweilt, so fühlt sich dieses Buch nämlich an. Schade eigentlich, da wurde wohl viel Lärm um nichts gemacht bei der Ankündigung dieses Romans. Völlig grottig ist Wir kommen natürlich nicht. Dennoch steht für mich fest: Dieses Buch kann man lesen, muss man aber nicht.

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Ronja von Rönne Wir kommen

Ronja von Rönne

Wir kommen

Aufbau

ISBN: 978-3-351-03632-4

im März 2016 erschienen

Kategorie Blog, Rezensionen

Aufgewachsen im schönen Brandenburg lernte ich schon früh die ländliche Einöde lieben und verteufeln zugleich. Heute kehre ich immer wieder gern heim, wohne allerdings lieber in urbanen Räumen. Lesen geht ja zum Glück überall und bietet Ausflüge in diverse Welten. Hier schreibe ich über meine Lektüren.

2 Kommentare

  1. Ich stehe solchen Hypes grundsätzlich eher skeptisch gegenüber, ohne jedoch anzuzweifeln, dass junge Autoren auch sehr gute Bücher schreiben können. Ich bin mir unsicher, ob man da nicht auch den Nachwuchs-Autoren Schaden zufügt, wenn ein Debüt erscheint, das weitgehend nicht so geglückt ist, wie erhofft. Viele Grüße

    • Liebe Constanze,
      ich sehe das ähnlich wie du. Bei Ronja von Rönne habe ich auch oft das Gefühl, dass sie sehr in diesen Hype hineingedrängt wird und dann aber ihre mediale Rolle perfekt spielt. Dass dieses Buch seitens des Verlags auch noch werbetechnisch so sehr gepushed wurde, kann ich nicht nachvollziehen. Dieses Buch hätte sich so oder so sehr gut verkauft. Aber naja, gut getan hat dieser ganze Rummel der Rezeption ihres Werkes wahrscheinlich eher nicht.
      Liebe Grüße

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