Wer kann eigentlich einem so niedlich grinsenden Fratz auf einem Buchcover widerstehen? Ich jedenfalls nicht. Den Band Bilder und Texte (Steidl) von Juergen Teller habe ich deshalb nicht nur besonders gern gelesen und angeschaut, ich habe ihn auch mit Vorliebe auf meiner Kommode als kleines Deko-Element missbraucht.
In einer klassisch-schönen Ausstattung erreichte mich der Bild- und Textband von Juergen Teller. Aus dem Schuber mit Babyfoto-Cover holte ich ein dickeres Hardcover-Buch, ebenfalls mit Baby-Foto und dem Titel Bilder und Texte, und ein dünneres Buch mit flexiblem Einband und der Aufschrift Literatur.
Im Hauptband Bilder und Texte sind Fotografien und Texte von Juergen Teller versammelt, die er in einer Kolumne für das ZEITmagazin verwendete. Ab Oktober 2009 hat Teller über ein Jahr lang wöchentlich eine Kolumne verfasst, die damals sehr kontrovers aufgenommen wurde. Im Vorwort von ZEITmagazin-Chefredakteur Christoph Amend wird deutlich, dass Teller zunächst nur Fotografien für die Kolumne liefern wollte, sich dann aber – zum Glück – doch noch ans Schreiben getraut hat. Bild und Text zu kombinieren, sei selbst für den erfolgreichen Fotografen eine ganz neue Erfahrung gewesen.
Das merkt man der Kolumne allerdings überhaupt nicht an. Wie seine Bilder sind die Texte geradeheraus und schnörkellos. Doch nicht alle Menschen mögen diesen Stil, einigen ZEITmagazin-Leser*innen ist Tellers Kolumne sauer aufgestoßen. Es hagelte empörte und verständnislose Leser*inennbriefe, aber auch begeisterte Zusendungen. Die besten dieser Briefe sind in dem zweiten Buch mit dem Titel Literatur versammelt.
Von „Die Fotos und die Kommentare von Juergen Teller gehen mir auf den Sack“ über „Das Titelfoto ekelt mich an, abstoßend, ekelerregend“ bis hin zu „Das Bild ist einfach unglaublich, geradezu ergreifend. Ich werde es ausschneiden und aufheben“ sind alle Meinungen vertreten. Sowohl Juergen Teller als auch das ZEITmagazin sind großen Vorwürfen in den Briefen ausgesetzt. Teller werden Pornografie, fehlende Ästhetik und Arroganz vorgeworfen. Das ZEITmagazin muss sich teilweise mit der BILD vergleichen lassen. Harter Tobak, der nur zeigt, wie konservativ viele Leser*innen der ZEIT sind. Ich habe mich allerdings köstlich amüsiert über so viel Konservatismus.
Natürlich ist Tellers Fotografie gerne mal ganz banal, und sein Schreiben auch, das ist gar nicht abzustreiten. Aber genau darin liegt für mich das Besondere seiner Kunst. Er fotografiert einerseits skurrile, gestellte Situationen, andererseits fängt er immer wieder ganz alltägliche Szenen ein. In seinen Texten und Bildern gibt er viel Privates preis. Das Cover-Baby beispielsweise ist Tellers Sohn Ed, auch seine Tochter Lola hat er fotografiert. Dann wieder finden sich in Tellers Werk Bilder von Topmodels wie Claudia Schiffer, Kate Moss und Linda Evangelista oder von Stars wie Björk und Nirvana. Letztere fotografierte er im übrigen, als noch niemand sie kannte. Seine Bilder von Kurt Cobain wurden später weltberühmt.
Dann gibt es wieder Bilder, auf denen er beispielsweise seine Mutter am Grab seines Vaters abbildet, im Hintergrund eine Baustelle. Diese Bilder erscheinen mir angenehm natürlich und bodenständig, wie auch die jeweiligen Texte dazu. Natürlich will Teller auch provozieren, wenn er ein Selbstporträt von sich als Arschloch oder anderen nackten Menschen in der Kolumne veröffentlicht.
Solche Bilder, die vor Selbstironie nur so strotzen und Tellers trockene Texte dazu – perfekt! Juergen Teller nimmt sich einfach selbst nicht so ernst und das gefällt mir. Gleichzeitig wirken seine Werke immer professionell und vor allem sehr kreativ.
Ich hatte jedenfalls unglaublich viel Spaß mit Bilder und Texte und bin aus dem Schmunzeln gar nicht mehr herausgekommen. Selten wurden Fotografie und Schreiben trockenhumoriger miteinander verbunden – ein skurriles Sahnestück der Gegenwartskunst!
Übrigens läuft noch bis zum 3. Juli die Ausstellung Juergen Teller. Enjoy Your Life! im Berliner Martin-Gropius-Bau. Da das Wetter am Wochenende eh furchtbar werden soll, empfehle ich dringend einen Besuch dieser Fotoausstellung. Es lohnt sich!
Juergen Teller
Bilder und Texte
Steidl
176 Seiten | 48,– €
Erschienen im September 2011