Warum ich (vor-)lese

Am 17. November geht der bundesweite Vorlesetag in die 14. Runde. Warum ich lese, habe ich bereits erläutert. Nun folgt sozusagen das Pendant dazu und meine Erklärung, warum ich (vor-)lese und warum Vorlesen und Selbst-Lesen unweigerlich miteinander verbunden sind.

Warum ich (vor-)lese | Vorlesetag 2017

Während der Frankfurter Buchmesse haben Stefan und ich mal wieder bei meiner besten Freundin und deren Partner übernachtet. Die Wohnung, in der die beiden leben, ist nicht besonders groß. Stefan und ich lagen im Wohnzimmer, unsere Freunde gleich nebenan im Schlafzimmer, das keine wirkliche Tür hat. So konnten wir abends noch gut und lange quatschen. Irgendwann kam dann wie schon bei unserem letzten Besuch die Frage, ob ich nicht etwas vorlesen könne zum Einschlummern. Wie auch beim letzten Mal habe ich mich kurz ein wenig geziert, aber dann doch beherzt zum ersten Harry Potter-Teil gegriffen.

Anfangs ein bisschen stotternd und schüchtern kam ich nach und nach immer mehr in die Geschichte rein und wurde auch mutiger bei der Betonung. Als es dann gerade so richtig Spaß machte, schlummerten meine ZuhörerInnen schon weg. Das war aber gar nicht schlimm. Ich klappte das Buch mit einem Lächeln zu, schloss die Augen und dachte darüber nach, wie schön es eigentlich ist, anderen Menschen etwas vorzulesen.

So muss es wohl auch meiner Mutter gegangen sein, die mir, als ich noch klein war, jeden Abend eine kleine Gute-Nacht-Geschichte vor dem Einschlafen vorlas. Ich weiß noch genau, wie das Buch aussah, mit dem sie neben meinem Hochbett stand. Es war blau und dick und in ihm waren viele kleine Geschichten. Ich habe dieses allabendliche Ritual geliebt und wurde von Jahr zu Jahr ungeduldiger, weil ich die tollen Geschichten auch endlich allein lesen können wollte. Als es dann soweit war, las ich nur noch allein für mich Bücher. Ich war stolz, endlich alles selbst aufsaugen zu können. Das Vorlesen zwischen meiner Mutter und mir ist dadurch allerdings verloren gegangen. Im Nachhinein finde ich das irgendwie schade.

Vorlesen ist nämlich wichtig, nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Das habe ich beim Harry Potter-Vorlesen ganz deutlich gemerkt. Wenn meine Mutter mir als Kind vorgelesen hat, dann hat das vor allem meinen Wunsch gestärkt, selbst auch ganz bald lesen zu können. Es hat meine Fantasie beflügelt und auch Gesprächsstoff zwischen meiner Mutter und mir produziert. Was gibt es Schöneres als sich über die soeben gehörten Geschichten zu unterhalten? Dasselbe gilt auch für das Erwachsenenalter. Hinzu kommt, dass der Prozess des Vorlesens auch immer ein ganz intimer ist. Der oder die Vorlesende gibt einiges von sich preis und wird in den meisten Fällen mit glücklichen Gesichtern dafür belohnt. Niemand kann wohl abstreiten, dass das Vorlesen emotional verbindet.

Seit 2004 findet einmal im Jahr in Deutschland der Vorlesetag statt, initiiert von der Stiftung Lesen, der Deutschen Bahn Stiftung und DIE ZEIT. In diesem Jahr wird am 17. November an verschiedensten Veranstaltungsorten vorgelesen. Berühmte Personen wie Politiker*innen oder Schauspieler*innen, aber auch andere engagierte Menschen lesen an diesem Tag vor allem Kindern vor, um so schon frühzeitig die Lust auf das Lesen und die Literatur zu wecken. Auf der Homepage des Vorlesetags könnt ihr euch durchstöbern und sicher auch in eurer Nähe eine schöne Aktion finden. Es werden übrigens auch immer noch Vorleser*innen gesucht.

Ich habe übrigens lange überlegt, ob ich den Vorlesetag in diesem Jahr wirklich in Form eines Bolgbeitrages unterstützen soll. Vor ein paar Wochen machte die Aktion nämlich Negativschlagzeilen, weil von der Initiative eine Einladung zum Vorlesen an alle Landtagsabgeordneten rausging, auch an jene der AfD. Ich finde, dass das nicht geht und das an dieser Stelle auch nicht verschwiegen werden soll. Ein Björn Höcke oder ein André Poggenburg haben mit ihrem rechten Gedankengut meiner Meinung nach nichts bei dieser Aktion zu suchen. Nichtsdestotrotz finde ich den Vorlesetag grundsätzlich eine gute Aktion, weshalb ich an die Kitas und Schulen plädiere, Vertreter der AfD einfach nicht einzuladen.

Aber noch einmal zurück zum Vorlesen. Warum ich (vor-)lese ist wohl deutlich geworden, und auch, dass das Vorlesen und Selbst-Lesen unmittelbar miteinander verbunden sind. Jetzt würde mich aber brennend interessieren, wie das bei euch so war? Wurde euch als Kind auch schon vorgelesen? Oder habt ihr vielleicht selbst schon Kinder und lest ihnen gern vor? Und welche Bücher mochtet ihr am liebsten beim Vorlesen bzw. welche lest ihr sehr gern vor?

Kategorie Blog, Mischmasch

Aufgewachsen im schönen Brandenburg lernte ich schon früh die ländliche Einöde lieben und verteufeln zugleich. Heute kehre ich immer wieder gern heim, wohne allerdings lieber in urbanen Räumen. Lesen geht ja zum Glück überall und bietet Ausflüge in diverse Welten. Hier schreibe ich über meine Lektüren.

6 Kommentare

  1. Meine Mutter hat mir und meiner Schwester jeden Abend vorgelesen, bis ich es selbst irgendwann konnte. Mir vorlesen zu lassen wäre heute nicht mehr so mein Ding, da würde ich immer einschlafen 😀 Aber selbst vorlesen finde ich schön. Ich war ca. zwei Jahre Lesepatin einer Grundschülerin. Zwar sollte die Schülerin lesen üben, aber als Belohnung habe ich am Ende der Stunde immer eine Passage vorgelesen. Ich glaube, sie mochte es 🙂

    • Haha, ja ich lese auch lieber vor als dass ich gern zuhöre. Deshalb schlafe ich auch bei Hörbüchern abends relativ schnell ein. Das mit der Lesepatenschaft klingt toll. Werde mich hier in Berlin auch mal nach so einer Initiative umschauen.
      Ganz liebe Grüße!

  2. Kleine Wohnung, Harry Potter… Das kommt mir alles sehr bekannt vor 🙂
    Ich habe schon immer Schwierigkeiten mit dem Vorlesen gehabt (kann sein, dass das die Schule bei mir ausgelöst hat) und es ist jedes Mal eine Überwindung für mich. Ich bekomme fast Panik davor und gerade deswegen ist das Vorlesen eine sehr intime Angelegenheit für mich.
    Gut, dass es in meinem Umfeld Leute gibt, die gerne vorlesen.
    Für mich bist du übrigens die beste Vorleserin, die man sich wünschen kann ♡

    • Jaja, habe mir schon gedacht, dass dir das bekannt vorkommen wird. 😉
      Die Schule und ihr Leistungsdruck machen leider bei vielen Kindern so einiges kaputt. Schade eigentlich. Ich wette, ohne Nervosität wärst du auch eine super Vorleserin! :-*

  3. Bei uns wurde sehr viel vorgelesen, hauptsächlich von meiner Mutter. Wenn ich krank war, habe ich sie sogar als Jugendliche noch gebeten mir vorzulesen. Ich habe das sehr geliebt und deshalb konnte ich es kaum erwarten, meinen Kinder vorzulesen. Als mein Ältester einen Tag alt war, habe ich angefangen: Mit Winnie the Pooh auf Englisch, nicht weil ich wollte, dass er gleich auch noch Englisch lernt, sondern weil ich Lust hatte, es zu vorzulesen.
    Ich habe dann schon sehr früh stundenlang vorgelesen (keine Übertreibung!) und er hat sich geduldig alles angehört, auch wenn ich nie viel Rücksicht darauf genommen habe, ob er das, was ich da lese, auch schon alles versteht. Neulich hat eine Studie dieses Vorgehen als richtig bestätigt.
    Meinem jüngeren Sohn, er ist jetzt elf, lese ich immer noch jeden Abend vor, der Ältere hat jetzt mit 14, hoffentlich nur vorübergehend, das Interesse an Literatur verloren – obwohl er eine richtige Leseratte war, sogar so sehr, dass er sich schon vor der Schule das Lesen selbst beigebracht hatte (ohne unser Wissen, geschweige denn Hilfe). Naja, kommt ja vielleicht wieder.
    Beim Vorlesetag bin ich auch wieder dabei, und ich hatte auch vor, einen Blogbeitrag darüber zu schreiben. Von den Negativschlagzeilen habe ich ehrlich gesagt nichts mitbekommen. Das ist natürlich schon ein Problem, dass man bei einer solchen Aktion keine Kontrolle darüber hat, wer sich zum Vorlesen bereit erklärt. Aber extra einladen sollte man Menschen mit eindeutig rechter Gesinnung sicher nicht.
    Vielen Dank für den schönen, persönlichen Artikel!

    • Liebe Eva,
      vielen Dank für deinen schönen Kommentar und auch für den Link zu der Studie!
      Ich denke, dass das Vorlesen auch etwas mit Liebe zu tun hat. Dass man sich seinem Gegenüber damit öffnet und ihm etwas Gutes tut. Das ist noch eine ganz andere „Quality Time“ als wenn man beispielsweise nur zusammen Fernsehen schaut. Beim Vorlesen entsteht einfach eine besondere Bindung. Das lese ich auch aus deinem sehr persönlichen Kommentar heraus.
      Ich finde es super, dass du auch beim Vorlesetag mitmachst und bin mir sich, dass dein älterer Sohn bald wieder zu den Büchern greifen wird. (Jede Pubertät muss ja irgendwann mal vorbei sein! 😉 )
      Ganz liebe Grüße
      Juliane

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