Das pralle Leben flimmert über den Bildschirm, und ich hänge als blasses Gegenstück auf dem Sofa, zwirble meinen Schwanz und das Schamhaar, lutsche alte, hart gewordenen Gummibärchen.
Max ist der lethargischste Protagonist, den ich seit langem kennengelernt habe. Auch seine Eltern wissen, dass mit ihrem Sohn nicht viel los ist. Max wohnt in Bremen und arbeitet eher unmotiviert als Lehrer, Spaß hat er an diesem Beruf nicht. Auch ansonsten beschert ihm sein Leben nur wenig Freude. Lediglich sich zerfleischende Tiere in diversen Fernsehdokus scheinen ihn ein wenig zu stimulieren. Als ein Anruf seiner Eltern ihn aus seinem starren Trott herausreißt, ist Max zunächst wenig begeistert. Die Eltern wollen verreisen, Max soll solang auf das Haus und den Hund „Lio“ aufpassen. So verschlägt es ihn zurück in seinen kleinen Heimatort nach Süddeutschland, wo er seine Freunde von damals wiedertrifft. Eine Reise in die Vergangenheit beginnt, längst vergessene Gefühle tauchen auf und alte Konstellationen werden hinterfragt. Da ist zum einen Maria, mit der Max lange Zeit zusammen war, sogar mit ihr in Bremen eine gemeinsame Wohnung hatte. Und auf der anderen Seite steht Jan, für den Max schon vor 15 Jahren mehr als nur Freundschaft empfunden hat. So begegnet dem Leser dieses Dreiecksgebilde in zahlreichen Flashbacks und Max verliert sich immer mehr in den Gedanken über seine Jugend.
„Don’t Look Back In Anger“, rufen uns Oasis hinterher. Als wären wir sechzehn.
Diese Gedanken, die Natur und der Input seiner Heimatfreunde zeigen ihm neue Perspektiven, öffnen seine Augen wieder für die kleinen Dinge des Lebens.
Ich habe erst selten Glühwürmchen gesehen und einen ganzen Schwarm schon gar nicht. Jan flüstert: „Ich habe sie letztes Jahr entdeckt.“ Ich halte meine Hände auf und hoffe auf müde Piloten. Ich bin ein Riesenfan. Vielleicht wird ab jetzt alles gut.
Als er allerdings plötzlich erfährt, dass seine Eltern in Griechenland ums Leben gekommen sind, beginnt die eigentliche Findungsreise des Anfang-Dreißig-Jährigen. Der Tod erschüttert ihn, doch hat mich beim Lesen vor allem der positive Unterton beeindruckt, der in den tragischsten Stellen des Buches mitschwingt und eine überspitzte Dramatisierung verhindert.
Jan wirkt am gefasstesten, wie ein Routinier in Sachen Verlust. Als meine Eltern hinabgesetzt werden, berührt auch seine Schulter meine. Einer der beiden Ministranten drückt Play auf dem tragbaren CD-Spieler: „Here comes the sun (doo doo doo doo) / Here comes the sun, and I say / It’s all right…“
Nach der Beerdigung seiner Eltern fliegt Max an den Ort, an dem seine Mutter und sein Vater ums Leben gekommen sind. Dort entdeckt er seine Leidenschaft für das Filmen von Tieren. An dieser Stelle wird er zum aktiven Beobachter und wirft seine lethargische Fernsehhaltung ab. Im Anschluss reist er nach New York, weil er dort wiederum ein Erlebnis seiner Jugend vor Ort verarbeiten muss. Wieder in seiner Heimatstadt angelangt, wirkt Max befreit und ein Stück weit erwachsener.
Im Grunde ist Am Ende schmeißen wir mit Gold ein typischer Adoleszenzroman unserer Zeit. Max als Spätadoleszent verkörpert das Ergebnis unserer modernen Gesellschaft, in der es oft Pflicht zu sein scheint, möglichst lang jung zu bleiben, äußerlich als auch im Verhalten. Die detailreich beschriebenen Bilder kämpfender Tiere im TV haben mich stark an Helene Hegemanns Axolotl Roadkill als auch an Stefanie de Velascos Tigermilch erinnert. Das stumpfe und emotionslose Anschauen von Gewaltakten unter Tieren scheint wohl Symbol des heutigen Erwachsenwerdens geworden zu sein — zumindest in der Literatur zeichnet sich solch ein Trend ab. Hischmanns Debütroman besticht darüber hinaus durch gut durchdachte Bilder und einen Blick in die Vergangenheit, der mich oft zum Schmunzeln brachte.
Weil in der Packungsbeilage „gegen Schmerzen und Fieber“ steht, streife ich die Unterhose ab, lege mich auf den Rücken und hebe die Beine. Das zweite Zäpfchen meines Lebens. Bei dem ersten war ich 40 Grad heiß und Mama saß an meinem Bett. Bevor es losging, sagte sie: „Volle Kraft voraus für das Fieber-weg-U-Boot.“
Für mich schippert der Roman allerdings ein wenig zu sehr an der Oberfläche und auch mit Max bin ich bis zum Schluss nicht richtig warm geworden. Am Ende kann ich jedoch eines aus der Lektüre mitnehmen: Heimkehr lohnt sich, auch wenn alles noch so trist dort zu sein scheint.
Am Ende schmeißen wir mit Gold
Berlin Verlag
ISBN: 978-3-8270-1148-0
Februar 2014
ja, fand das Buch auch nich so prickelnd.. gefällt mir wie Du das so formuliert hast
Freut mich, dass dir die Rezension gefällt.
Ja, ich hatte mir wirklich viel erhofft von dem Buch. Ich mag ja Coming-of-Age-Romane sehr. Aber so richtig hat mich Hischmanns Buch nicht überzeugt. Es wirkt so gewollt und konstruiert.
Ja ging mir auch so, es ist halt gar nicht so einfach mit dem schreiben, vorallem wenn der Abstand fehlt..