Eine Leiche gleich zu Beginn des Romans, doch ein Krimi ist es nicht. Rauschen durchzieht dieses Buch, Rauschen auch in meinem Kopf. Uli Wittstock legt mit Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf (mitteldeutscher verlag) sein Debüt vor. Im Oktober erst erschienen, steht der Titel schon auf der Shortlist für den Bloggerpreis „Das Debüt 2016“. Gespannt begab ich mich an die Lektüre, musste dann aber etwas tun, was ich sehr selten mache.
Die Handlung beginnt mit dem Fund einer Leiche in einer Radio- und Fernsehstation. Es handelt sich um den Moderator Manfred Wilkhahn, der aus Volksmusikshows bekannt und in seinem Umfeld nicht sonderlich beliebt ist. Wilkhahn ist aber keine gewöhnliche Leiche. Er wird in einer sehr verqueren Stellung, eingeschnürt in Tonbändern, im Studio vorgefunden. Der ermittelnde Kommissar ist ratlos und auch die Befragung des Funkhaus-Geschäftsführers ist nicht sonderlich ergiebig. Das klingt doch alles sehr nach Krimianfang. Aber nein, es folgen nun weitere Erzählabschnitte, die von komplett anderen Figuren handeln. Zum Beispiel gibt es da die graue Büromaus, die im Archivkeller kleine Sexgeschichtchen für ihre Fans im Internet schreibt, oder diesen Ich-Erzähler, der anscheinend in der Zukunft oder einer Parallelwelt lebt.
Gestalterisch werden die einzelnen Teile jeweils durch dieses Zeichen abgetrennt, das auch erscheint, wenn man eine Tonaufnahme tätigt, dieser Ausschlag. Das hat mir gut gefallen, so hatte ich das Gefühl, selbst an einem Radio zu sitzen und zwischen den Kapiteln den Sender zu verstellen. Und dass hier einer vom Fach am Werk ist, wird spätestens klar, wenn man sich die Kurzbiografie des Autors näher anschaut. Seit 1991 ist Uli Wittstock Journalist, vorwiegend für den ARD-Hörfunk. Das erklärt auch die gezielt eingesetzten Fachtermini rund um den Hörfunk im Buch.
Das mit dem Senderverstellen von Kapitel zu Kapitel ist eine schöne Idee, jedoch wäre ich gern schneller wieder zum Anfangssender, der Leiche, zurückgekehrt, als der Autor es zuließ. Stattdessen musste ich mich durch immer neue Figurenkonstellationen durchkämpfen, Kapitel für Kapitel. Diese immer neu eingeführten Figuren kamen mir zudem nicht sonderlich nah. Mich interessierte oft gar nicht, was sie zu sagen haben. Zum Teil liegt dies auch an der sprachlichen Ausgestaltung des Romans, mit der ich ebenfalls nicht warm wurde. Aufzählungen von Gegenständen, die sich auf einem Schreibtisch befinden, und sich über sechs Zeilen erstrecken, langweilen mich. Außerdem waren mir einige Stellen einfach zu pathetisch:
Dann lieber starr liegen. Im Nichts. Im grauen Nichts. Irgendetwas stimmte aber nicht. Grau. Er wollte darüber jetzt nicht nachdenken. Grau. Es war irgendwie anders.
Ich glaube zu ahnen, was der Autor damit bezwecken wollte: eine unheimliche Stimmung und Spannung vielleicht. Aber mir ist diese Art des Erzählens zu abgedroschen und konstruiert.
Die Tatsache, dass ich mit den Figuren und der Sprache überhaupt nicht warm wurde, führte zu etwas, das ich fast nie tue: Ich habe das Buch nach zweihundert Seiten abgebrochen. Vielleicht kann ich deshalb auch gar nicht beurteilen, ob es ein gutes oder schlechtes Buch ist. Aber wenn ich mich davor drücke, ein Buch weiterzulesen, dann ist das kein gutes Zeichen.
Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf beginnt spannend, aber hat mich schnell verloren und ab einem gewissen Punkt nur noch verwirrt und überfordert.
Weitere Besprechungen findet ihr u. a. auf Kapri-ziös und frintze.
Uli Wittstock
Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf
mitteldeutscher verlag
ISBN: 978-3-95462-729-5
erschienen im Oktober 2016