Martina Hefters Debütroman Junge Hunde erschien 2001 beim Alexander Fest Verlag, der bis 2002 bestand. Vor zwei Wochen fiel es mir durch Zufall in die Hände. Die beiden Nachfolgeromane Zurück auf Los (2005) und Die Küsten der Berge (2008), beide bei Wallstein erschienen, kenne ich auch noch nicht. So war ich sehr gespannt auf diesen kleinen aber feinen Roman.
Junge Hunde handelt von zwei Menschen, die ihren Weg noch nicht gefunden haben und ohne Halt durchs Leben treiben. Ihre Wege kreuzen sich im Leipzig der späten 1990er-Jahre. Einer schroffen Stadt der neuen Bundesländer, zu der Zeit noch kaum mit der wachsenden, gerade junge Kreative anziehenden Metropole von heute zu vergleichen.
Helen ist Mitte 20 und gerade von Berlin nach Leipzig gezogen, um dort Choreographie und Tanz zu studieren. Schon von klein auf hat sie Ballett gelernt, war auch in Berlin Tänzerin. Doch es lief nicht gut für sie. Sie ging immer weniger, schließlich gar nicht mehr in die Tanzschule, in der sie unterrichtete, um schließlich nach Leipzig zu fliehen.
Sie sucht dort einen Neuanfang. Ihr erster Schritt in der neuen Stadt führt sie in ein Taxi. Fahrend möchte sie sich die Zeit bis zur Aufnahmeprüfung in ihrer neuen Schule vertreiben, ihre Ängste und Abscheu dadurch zerstreuen. Am Steuer sitzt Vinz.
Vinz kommt aus Chemnitz und ist schon lange in Leipzig. Nach dem Vordiplom schmiss er die Uni, um mit ein paar Freunden ein Taxi zu kaufen und sich damit den Lebensunterhalt zu verdienen. Er hat jedoch immer wieder Mitleid mit seinen Fahrgästen oder fühlt sich nicht danach, Menschen durch die Gegend zu fahren, sodass das Geschäft nicht wirklich gut läuft für ihn und seine Mitstreiter.
Auf eine gewisse Weise ändert sich dies, als Helen sein Taxi betritt. Nicht dass er dadurch motivierter oder geschäftiger würde – er verliebt sich in sie. Die Verliebtheit zieht ihn aber zumindest aus seinem Loch der Ziellosigkeit. Und Helen geht es ganz ähnlich. Auch sie kann nach dieser ersten Fahrt nicht aufhören, an Vinz zu denken.
Doch es benötigt einige Zeit, bis die beiden sich wieder über den Weg laufen. Auf einer WG-Party finden sie sich plötzlich gemeinsam im Wohnzimmer der Altbauwohnung und streicheln gemeinsam zwei Hundewelpen, die trotz der hämmernden Musik einen Ruhepol inmitten des Trubels bilden. Eine kleine, von Schüchternheit und Verletzlichkeit geprägte Romanze entspringt.
Und damit endet mehr oder weniger der Roman Junge Hunde auch schon. Seine kleinen, wie hingetupften und doch konzentrierten Kapitel haben mich mit ihrer Melancholie gleich in ihren Bann gezogen. Immer abwechselnd erzählt Helen aus der Ich-Perspektive aus ihrem Leben, von ihrem Mitbewohner Per Larsen, in den sie sich irgendwie ein bisschen verliebt, von ihrem Plan, zur Tanzschule zu gehen, der immer wieder aufgeschoben wird.
Morgen also, dachte ich und ging zum Kühlschrank, öffnete ihn und strich mit den Fingern über den fusseligen, verschossenen Stoff des Tanzkleids. An einer Stelle meines Zeigefingers, oberhalb des Nagels, blieb ein schwarzer Faden hängen und zog den Stoff ein paar Zentimeter weit zusammen. Ich dehnte ihn so lange, bis er riß. Morgen also. Tendus, Frappés, Battements, in mörderischem Tempo. Aber ich wusste nicht mehr, ob ich hingehen würde.
Vinz’ Kapitel werden aus der dritten Person erzählt, was einen schönen Kontrast schafft. Bei ihm stehen vor allem sein bester Freund Fruehling und Vinz’ Gedanken über sein Leben im Mittelpunkt. Die Gespräche der beiden kreisen immer wieder um das Thema Frauen, manchmal auch um die Liebe. Vinz ist kein großer Redner, dafür redet Fruehling umso mehr. Zusammen können sie ausgelassen sein und ihre Sorgen vergessen. Doch in seinen Gedanken hält sich eine beständige Melancholie.
Fruehling ist nicht mehr so blaß, lächelt sogar ein wenig. Er wird Vinz nicht mehr nach der Frau fragen, heute nicht mehr, und das ist schon etwas., immerhin. Sie werden nach Hause fahren, in einer Stunde, in zwei Stunden, und Vinz wird sich ans Steuer setzen müssen, weil Bernard und Fruehling zu viel getrunken haben, dabei ist er verliebt und ließe sich am liebsten selber durch die Gegend fahren.
Begleitet werden die ruhigen Schilderungen der beiden Protagonisten von einem leicht eingeflochtenen Thema, das sich durch das Buch zieht. Die deutsche Wiedervereinigung und die Annäherung der alten und neuen Bundesländer aneinander. Helen ist aus dem Allgäu, sie entdeckt in Leipzig den Osten und die Menschen dort. Vinz wird ihr als gebürtiger Chemnitzer gegenübergestellt.
Martina Hefter gelingt es in ihrem Debütroman Junge Hunde, den Lesenden zwei Menschen sehr nah zu bringen und mit ihnen ein kleines Stück Welt zu erzählen, das ohne große Effekte auskommt und doch tiefen Eindruck macht. Sie transportiert dabei eine Melancholie, die mich sofort tief in den kleinen Roman hineingezogen hat. Ein Kleinod, das mich sehr neugierig auf ihre späteren Romane macht.
Martina Hefter
Junge Hunde
Alexander Fest Verlag
ISBN 978-3-8286-0166-6
erschienen 2001