Ein früher, bisher nicht auf Deutsch verfügbarer Roman des großen amerikanischen Schriftstellers John Fante erscheint in der exquisiten Ausstattung der Klassiker bei Blumenbar: 1933 war ein schlimmes Jahr. Ich habe bisher noch nichts von Fante gelesen – Asche auf mein Haupt! Aber ob der Roman ein guter Einstieg ist?
Damals war ich gut drauf, hatte den coolen Gang und die Lässigkeit eines klassischen Linkshänders. Meine Schulter hing ein wenig tiefer, daran schlenkerte Der Arm locker wie eine Schlange.
„Der Arm“ – ja, der Artikel ist wirklich groß. Denn er muss das ganze Kapital umfassen, das der Protagonist des Romans 1933 war ein schlimmes Jahr, Dominic Molise, für sein Leben braucht. Der Arm führt ein Eigenleben an Dominics Schulter: schnurrt wie eine Katze, wenn er sich wohlfühlt, zuckt verängstigt zurück, wenn Schlimmes im Verzug ist. Dominic reibt ihn täglich mit Sloan’s Massageöl ein, um ihn geschmeidig zu halten, und trainiert mit seinem einzigen Freund Kenny im Bowlingkeller des Sportclubs von Roper.
Roper, Colorado, eine Kleinstadt am Rand der Rocky Mountains. Es ist Winter, draußen liegt Schnee, deshalb können die beiden nicht draußen ihre Bälle werfen. Beide haben dabei nur eins vor Augen: Eine Zukunft als Baseball-Profi, irgendwo weit weg von Roper, weit weg vom endlosen Winter von Colorado. Doch die Vorzeichen könnten kaum anders sein: Kenny kommt aus der wohlhabendsten Familie des Orts, sein Vater betreibt einen Eisenwarenladen und besitzt Immobilien. Dominics Vater dagegen verbringt seine Tage in einer Kneipe und versucht, mit Poolbillard ein wenig Geld zu verdienen.
Denn Dominics Vater ist Maurer. Aufgrund des langen Winters von Colorado kann er aber nur die Hälfte des Jahres arbeiten. Das Geld, das er in dieser Zeit verdienen kann, reicht hinten und vorne nicht, um die Familie zu ernähren. Die Familie Molise ist vor vielen Jahren aus Italien nach Amerika gekommen, um ein besseres Leben zu finden. Von Denver aus gingen sie dann ohne einen Cent in der Tasche nach Roper, um sich in der Kleinstadt etwas Eigenes aufzubauen.
Doch nun sitzt Dominics Mutter, die verträumte, hochkatholische Mary, jeden Tag zu Hause und wartet, dass ihr Mann abends nach Hause kommt. Ständig in der Angst, eine andere Frau könnte im Spiel sein. Grandma Bettina, Marys Schwiegermutter, verachtet Mary, und alle und alles andere in Amerika gleich mit. Nicht das beste Umfeld für Dominic und seine drei Geschwister, aber es könnte schlimmer sein.
Was Dominic mit seinen 17 Jahren vor allem zusetzt, sind die Pubertät und die ihn quälenden Gedanken an seine Zukunft. Erstere äußert sich vor allem in einer großen Liebe zu Kennys Schwester Dorothy. Sie ist 21, eingebildet, wunderschön und studiert Psychologie am College. Er himmelt die Unerreichbare lange an – und als sie dann einmal ins Gespräch kommen, verhält er sich komplett idiotisch.
Zweiteres, Dominics Zukunft, hängt ganz von einem Baseball-Probetraining ab, zu dem er mit Kenny nach L.A. fahren will. Schafft er es in die Mannschaft, kann er mit Baseball Geld verdienen und seinen Traum wahr werden lassen. Schafft er es jedoch nicht, bleibt ihm kaum anderes übrig, als wie sein Vater Maurer zu werden. Kein Problem mit Dem Arm, oder? Wäre es nur so einfach, denn die Fahrt zum Probetraining würde 50 Dollar kosten. Viel Geld für eine bettelarme Familie.
John Fante zeichnet in 1933 war ein schlimmes Jahr einen kleinen Ausschnitt der USA in den frühen 1930er-Jahren in winterlichen, aber dennoch durchweg warmen Farben. Die Große Depression ist in vollem Gange, die wirtschaftliche Lage für den Großteil der Bevölkerung desaströs. So auch für die Familie Molise.
Vermutlich um die Jahrhundertwende sind sie aus den armen, aber vertrauten Abruzzen in die USA ausgewandert, um den American Dream zu verfolgen, den großen Traum der europäischen Armen und Ausgestoßenen vom Glück durch harte Arbeit. Doch die Weltwirtschaftskrise macht den Traum zunichte, auch als einer der besten Maurer der Stadt kann Dominics Vater kaum genug Geld verdienen, um seine Familie zu ernähren.
Dominic will sich aber seinen Traum nicht streitig machen lassen und kämpft ohne Rücksicht auf Verluste. Sein feuriges Temperament steht ihm dabei immer wieder im Weg. Es ist eine Wonne, aus seiner Sicht den kleinen Roman 1933 war ein schlimmes Jahr zu erleben und seine ebenso kleine, ärmliche, aber überaus interessante Welt kennenzulernen. Denn obwohl seine Situation aussichtslos erscheint, ist Dominics Wille, ein bekannter Baseball-Spieler zu werden, nicht klein zu kriegen. Die positive Kraft dieses Willens sprüht aus den Zeilen des Buchs heraus und wirkt absolut beflügelnd.
Dies wird vor allem unterstützt durch die traditionelle, eigentlich altmodische und bisweilen pathetische Erzählweise Fantes. Was auf den ersten Blick durchaus kritikwürdig erscheint, ist es hier für mich gerade nicht. Denn der Roman war für mich wie eine Auszeit, wie ein Urlaub in einer zwar armen, aber einfachen Welt Ropers zu Anfang des 21. Jahrhunderts. Dass dieses nostalgische Moment auch durchaus gefährlich sein kann, ist klar. Hier trifft es aber für mich genau den richtigen Nerv aus sympathischer Nähe zu den Figuren und stiller, weil eher zwischen den Zeilen mitschwingender Kritik an den sozialen Umständen der Unterschicht in der Zeit.
Komplettiert wird das Buch noch von einem kleinen Nachwort des vortrefflichen Übersetzers Alex Capus, das die biografischen und zeitgeschichtlichen Bezüge von 1933 war ein schlimmes Jahr kurz beleuchtet und es in die Werkbiografie Fantes einordnet.
Rund wie ein Baseball, dieses kleine Buch. Tolle Gestaltung, schöner Roman, nützliches Nachwort. Meiner Meinung nach ein perfektes Buch, um John Fante kennenzulernen. Wohl auch nicht mein letztes von ihm.
John Fante
1933 war ein schlimmes Jahr
Aus dem Amerikanischen und mit einem Nachwort von Alex Capus
Blumenbar
Erschienen 2016
ISBN: 978-3-351-05031-3
Hallo Anika, freut mich, dass Dir das Buch auch gefallen hat! Und gerne klauen, das Bild hat sich aber wirklich auch aufgedrängt … Trag den Fante-Baseball weiter in die Welt!
Das Buch und seine sympathischen Charaktere haben schöne Rezensionen verdient.
LG, Stefan
Stefan, du sprichst mir aus der Seele. „1933 war ein schlimmes Jahr“ war für mich das beste Buch, das ich im Januar gelesen habe und konnte mich auch vollständig überzeugen. Zumal ich die grummelige Oma echt witzig fand und es auch sonst herrliche Szenen zu erleben gab. Ich hatte trotz der permanenten Melancholie einfach auch Spaß.
„Rund wie ein Baseball“ … das klaue ich dir bestimmt noch. Aber nicht ohne dich und euren Blog zu erwähnen 😉
Wenn es okay ist?
Tolle Rezi, tolles Buch!
LG Anika