Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Antworten auf diese Frage gibt es viele, die eine richtige wird es wohl kaum geben. Eine mögliche wird jedoch im neuen Band der mairisch-Philosophien gegeben, der sich nach Themen wie dem Radfahren, Klettern oder Laufen nun in die Küche begibt: Die Philosophie des Kochens, herausgegeben von Stevan Paul. Wer errät jetzt, wie die Antwort auf die Eingangsfrage in diesem Band lauten könnte?
Ja, richtig, es war bei dem Titel wohl nur unschwer zu erraten: Der Mensch ist das einzige Tier auf der Erde, das gelernt hat, das Feuer zu beherrschen und damit seine Nahrung zuzubereiten. Dies führte in der Evolution des Homo Sapiens zu entscheidenden Vorteilen, wie der Erschließung neuer Nahrungsquellen bei gleichzeitiger Verringerung des Verdauungsaufwands. Was dann wieder mehr Energie für die Ausbildung größerer Gehirne und damit raffinierterer Strategien zur Nahrungserlangung freisetzte. Und ganz nebenbei auch der Kultur den Weg bereitete:
Für den Beginn der menschlichen Kultur stehen symbolisch die Höhlenmalereien unserer Vorfahren, die sie im Schein des Feuers – der Kochstelle – anfertigten. Das Kochen war dabei der entscheidende Motor, die Palette des Nahrungsangebots stieg.
Soweit – extrem verkürzt – die (r)evolutionäre Bedeutung des Kochens für den Menschen, wie Nikolai Wojtko, Gastrosoph und Journalist, sie im ersten Beitrag darlegt. In ähnlicher Weise ehren die meisten Beiträger*innen die Kulturtechnik des Kochens und stellen ihr eine philosophische Durchleuchtung zur Seite, mit der das Kochen bisher eher weniger gewürdigt wurde. Diese ist manchmal praktischer Art, wie die Programme von Restaurants bzw. Köchen, und manchmal theoretischer, wenn es etwa um die Frage von Kunst oder Handwerk des Kochens geht. Auch ist es mal speziell, wie die Philosophie der japanischen Küche oder die Erotik des Kochens, und mal überraschend, wie eine kleine Kulturgeschichte des Kannibalismus oder eine Liebeserklärung an das Backen.
Mich spricht das Thema gleich auf doppelte Weise an. Zum einen koche ich einfach gerne. Ich würde mich nicht als Hobbykoch bezeichnen, das käme mir falsch vor. Aber gutes Essen liegt mir am Herzen, und es selbst zuzubereiten, ist ein unglaublich gutes Gefühl. Dabei geht mir der Ehrgeiz, immer anspruchsvollere und aufwendigere Gerichte zu meistern, mich an immer ausgetüftelteren Kreationen aus Hochglanz-Kochbüchern zu versuchen, aber ziemlich ab.
Zum anderen lebe ich seit mittlerweile fünf Jahren vegan. Ich habe mich in der Zeit vor der Entscheidung, tierische Produkte aus meinem Leben zu streichen, viel mit Ernährung, Massentierhaltung und der globalisierten Nahrungsmittelindustrie auseinandergesetzt und tue es noch heute. Nun ist Kochen nicht Essen, und es geht in Die Philosophie des Kochens mehr um die Kunst oder Art der Zubereitung und deren kulturellen Stellenwert als das, was am Ende auf den Teller kommt.
Umso mehr gefreut habe ich mich deshalb darüber, dass nicht nur ein paar Beiträge die politische und ethische Dimension des Kochens direkt thematisieren, sondern auch viele andere Beiträge dies zumindest nicht komplett vergessen. Und das nicht nur innerhalb der aktuellen Hypes von Achtsamkeit, Slow Food und Entschleunigung, die ja immer ein wenig hedonistisch auf den einzelnen Menschen und dessen Lifestyle gerichtet sind, sondern auch im Sinne einer globalen Notwendigkeit.
Dies ließ mich auch über das gelegentlich aufscheinende Vegan-Bashing hinwegsehen, das beim Schreiben über die Tradition Kochen und »gutes Essen« natürlich nicht fehlen darf. »Gemüse essen find ich super, aber ’ne Wurst ohne Fleisch ist doch einfach nur krank.« So steht es zum Glück nicht im Buch, aber ein wenig Augenrollen konnte ich mir dann hier und da doch nicht verkneifen. Auch darüber nicht, dass zwar allenthalben die kulturelle Abkehr vom Versorgungskochen beschrieben wird, das den Hausfrauen früherer Tage aufgenötigt wurde. Gleichzeitig aber gerade einmal zwei von 21 Beiträger*innen Frauen sind. Dafür gibt es – um nochmal zu loben – erfreulich wenig pauschalen Kulturpessimismus und Technikfeindlichkeit, sondern begründete Kritik an einzelnen Phänomenen rund um das Kochen und die Ernährung. Stichwörter »Paläo-Diät«, »Gluten-Angst« und andere Unverträglichkeiten.
Die Philosophie des Kochens ist damit ein Tipp für alle, die gerne Kochen und sich auch etwas tiefgehender mit ihrem kleinen Hobby auseinandersetzen wollen. Ein vollkommen unbebilderter Gegenentwurf zum Trend von Lifestyle-Küche und Hochglanzkochbüchern, der kurzweilig und versiert veschiedenste Aspekte des Kochens in den Fokus rückt.
Die Philosophie des Kochens
mairisch Verlag
240 Seiten | 20,– Euro
Erschienen im Februar 2018
[…] Die Philosophie des Kochens – kleiner Rundgang durch das Buch Stevan Paul (Hg.): Die Philosophie des Kochens […]