Es ist die alte Geschichte einer Liebe zwischen zwei ungleichen Menschen und doch erzählt sie Dana Grigorcea in ihrer Novelle Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen (Dörlemann) auf eine ganz neue, ganz besondere Weise.
Anna ist eine Balletttänzerin, die aufgrund ihres Alters nicht mehr die Hauptrollen ergattert, aber doch hoch angesehen ist in der Welt des Balletts. Sie lebt in einer harmonischen Zweckehe mit einem Arzt in Zürich. Das Ehepaar gibt zusammen Empfänge, sie respektieren sich, er bewundert sie, sie betrügt ihn von Zeit zu Zeit. Immer an ihrer Seite ist ihr kleiner Hund, eine »Promenadenmischung«, wie Anna ihn selbst liebevoll bezeichnet. Denn obwohl die Ballerina in den gehobenen Künstlerkreisen Zürichs verkehrt, hat sie doch auch ein Herz für das Unperfekte, das Zufällige im Leben.
Eigentlich fehlt es Anna an nichts, doch dann begegnet sie plötzlich Gürkan. An der Promenade des Zürichsees lernen sie sich zufällig kennen und nichts ist mehr, wie es vorher war. Sie verlieben sich, verbringen wunderschöne Tage zusammen und können stundenlang miteinander reden. So nah sie sich einander fühlen, so unterschiedlich sind sie doch. Gürkan ist Gärtner, kommt aus einem kleinen Ort und hat dort Frau und Kinder. Als sein Job an der Seepromenade beendet ist, scheint auch die Zeit für Anna und ihn abgelaufen zu sein.
Er hatte überlegt, an exponierter Stelle, in Straßennähe oder ungeschützt vor der Witterung, auf zarteres Gewächs zu setzen, auf dass er es entfernen und neues pflanzen konnte – er wollte Zeit gewinnen mit Anna.
Anna glaubt zunächst, auch diese Affäre zu ihren anderen ad acta legen zu können. Sie reist nach Venedig, verbringt dort traumhafte Stunden im Sonnenschein. Doch ihre Gedanken gehören immer nur dem einen.
Und sie merkte, dass sie die ganze Zeit über an Gürkan gedacht hatte, und dass sie dieser Gedanke rührte, wie die Heimkehr nach einer langen Reise.
Nach all den Jahren ist Anna zum ersten Mal wieder richtig verliebt und um diese Liebe, dieses Gefühl, dass sie so lange vermisst hatte, will sie kämpfen. Anna sucht Gürkan in seinem Heimatort auf und sieht, wie er dort lebt. Die Realität schlägt ihr mitten ins Gesicht und holt sie aus ihrer schillernden Zürich-Welt zurück auf den Boden. Anna kommen erste Zweifel, doch sie will ihrem starken Gefühl weiter nachgehen …
Mal zart, mal impulsiv – ganz ähnlich einer Ballerina beim Auftritt – nähert sich Dana Grigorcea in ihrer Novelle Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen der Sehnsucht nach so vielem. Nach Liebe, nach Ankommen, nach lang vergessenen Gefühlen. Doch lehrt die Autorin uns in ihrer kraftvollen Sprache zugleich, dass der Mensch nie frei ist von Sozialisation und äußeren Umständen. Das alte Lied der Ungleichheit, aber so schön erzählt wie hier, habe ich es selten erlebt.
(Tipp: Wer zudem der schönen Stadt Zürich genauso verfallen ist wie ich, wird Grigorceas Novelle sowieso mögen. Mit ihrer feinfühligen Sprache zeichnet die Autorin so schöne Bilder der Stadt, dass ich manchmal dachte, ich würde gerade selbst auf der sonnigen Promenade des Zürichsees flanieren.)
Weitere Besprechungen findet ihr u. a. auf Leseschatz, Literaturblatt und auf Deutschlandfunk.
Dana Grigorcea
Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen *
Dörlemann
128 Seiten | 16,– Euro
31. Januar 2018
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