[class] #3 Mit Stefanie de Velasco und Christian Baron

Am Donnerstag fand im Berliner ACUD die dritte Ausgabe der Gesprächsreihe »Let’s talk about class« statt – mit kleinem Publikum und natürlich im Livestream. Zu Gast waren dieses Mal Stefanie de Velasco und Christian Baron, durch den Abend geführt haben wie üblich Daniela Dröscher und Michael Ebmeyer.

Eine interessante Event-Erfahrung war das am Donnerstag: Vereinzelte Stühle mit anderthalb Meter Abstand zueinander verstreut im ACUD, die dann kurz vor Beginn der Veranstaltung restlos besetzt waren. Ein dünn besiedelter Raum für eine Veranstaltung, das ambitionierte Klatschen des Publikums machte dies aber wett. Schön, wieder Veranstaltungen besuchen zu können – wenn auch nur in kleinen Schritten. Auch für die Gäst*innen Stefanie de Velasco und Christian Baron muss es eine Freude gewesen sein, voller Enthusiasmus sprachen sie mit Michael Ebmeyer und Daniela Dröscher über Klasse, Klassengesellschaft und Wege aus diesem Konstrukt.

Mit Ein Mann seiner Klasse hat Christian Baron Anfang des Jahres bereits das passende Memoir zu diesem Thema vorgelegt. Darin beschreibt er, wie er als Sohn eines Alkoholikers mit Gewaltproblemen und einer frph verstorbenen Mutter als Arbeiterkind im Kaiserslautern der Neunzigerjahre aufwächst. Und wie ihm schließlich der »Klassenaufstieg« gelingt, er aber trotzdem immer ein »Mann seiner Klasse« bleiben wird.

Um diese Themen ging es auch am vergangenen Donnerstag. Baron sprach über seine Gatekeeper (bspw. Lehrer*innen, die ihn gefördert und unterstützt haben), über das Fremdheitsgefühl in Akademikerkreisen und die politische Einstellung seiner Familie. In der späteren Diskussion spricht sich der Autor dafür aus, den Klassenbegriff zu reclaimen und auch die Klassenunterschiede innerhalb unserer Wohlstandsgesellschaft näher zu betrachten. 2018 initiierte Baron zusammen mit der Wochenzeitung »der freitag« den Hashtag #unten auf Twitter, unter dem zahlreiche Menschen ihre Erfahrungen mit sozialer Abwertung schilderten.

Auf die Frage, womit man anfangen solle auf dem Weg zur Gerechtigkeit, gibt Baron ganz klare Antworten. Eine echte sozialdemokratische Politik müsse her, das mehrgliedrige Schulsystem fallen und Privatschulen abgeschafft werden. Außerdem müsse der Kampf gegen die Klimazerstörung vom Sockel des Elitenprojekts heruntergeholt und für alle nahbar und zugänglich gemacht werden.

Mit dem Verhältnis von Klimaschutz und Klasse setzt sich auch Stefanie de Velasco seit einiger Zeit intensiv auseinander. Für sie habe der Klassengedanke viel mit der Umwelt zu tun, denn ökologische Krisen träfen Benachteiligte am stärksten. Während die Autorin Ende letzten Jahres an ihrem dritten Roman arbeitete, um sie herum die Fridays-for-Future-Bewegung immer lauter und die Klimastudien immer erschütternder wurden, beschloss sie in den den Klimastreik zu treten. Nach dem Streik folgte der Beschluss, mit einem aus Schrott gebauten Fahrrad klimafreundlich durch die Welt zu reisen, dabei Menschen zu treffen und die Eindrücke sehr wahrscheinlich zu einem neuen Buch zu bündeln.

Aber auch durch ihre Herkunft und ihr Aufwachsen sei ihr die Klassengesellschaft mehrmals im Leben schon begegnet. Nachdem ihre Mutter aus Spanien nach Deutschland eingewandert sei, habe sie ihren Kindern nach der Geburt besonders deutsche Namen wie Stefanie oder Peter verpasst, um sie so vor Rassismus zu schützen. Die Diskriminierungen kamen trotzdem, seien aber durch den Eintritt in die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas größtenteils aufgefangen worden. Nach dem Austritt sah das wieder anders aus. Der Dreiklang »race – class – gender« sei dabei unumgänglich.

Wie der Klassenbegriff sei auch der Nachhaltigkeitsterminus den sozial Schwächeren weggenommen worden mit der Behauptung, dass diese Menschen nichts damit zu tun hätten. Deshalb sind sich am Ende – wie auch in den vorherigen Veranstaltungen – alle auf der Bühne einig, dass es dringend nötig ist, beide Begriffe für die Benachteiligten unserer Gesellschaft zurückzugewinnen und mit neuem Inhalt zu füllen.


Die nächste Ausgabe von »Let’s talk about class« gibt’s Mitte September im ACUD – dann vielleicht schon mit etwas mehr Publikum.

Ein Teil der dritten Ausgabe kann hier nochmal angesehen werden:

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