Iván Repila: Der Feminist

Mal wieder ein Debattenbuch! Die Satire Der Feminist von Iván Repila (Suhrkamp) nimmt cis-männlichen Feminismus in den Fokus. Es wird reichlich diskutiert, erstmal ein gutes Zeichen. Oder?

Repila: Feminist

Gabriel verliebt sich in Najwa. Er ein politisch ebenso uninteressierter wie uninteressanter Typ, sie eine glühende Feministin, exzellent belesen, schlagfertig, abgebrüht. Er stürzt sich ins Studium des Feminismus, um ihr nahezukommen, schafft es schließlich. Sie werden ein Paar, er fragt sie beständig immer weiter aus, wird zum belesenen Feministen. Schnell wird ihm klar, dass es eine Revolution braucht, um die Emanzipation der Frauen endgültig herbeizuführen. Also beginnt er einen geheimen Kreuzzug, um dies zu ändern. Und wird zunächst im Geheimen zum Märtyrer der feministischen Revolution.

Soviel zum Plot. Der Feminist handelt in erster Linie von Gabriels Feldzug gegen das Patriarchat, der im Stile eines Thrillers, ja eines waschechten Pageturners erzählt wird. Was harmlos mit einem aufmüpfigen Twitter-Account beginnt, wird immer krasser, immer gewalttätiger, bis die Geschichte in einen Bürgerkrieg mündet. So beugt sich Der Feminist behäbig in das Genre der Satire hinein, wenn man den Roman überhaupt so bezeichnen möchte.

Er beginnt verhalten, ja fast schon schnarchig, mit der Liebesgeschichte von Gabriel. Er wird in seiner Unwissenheit und gleichzeitiger Besessenheit von seiner fixen Liebe komplett unsympathisch gezeichnet, Najwa nicht weniger. Sie wirkt immer an der Grenze zwischen Langeweile, Überheblichkeit und Genervtheit. Kein Wunder, dass der Roman das eigentliche Zusammenkommen der beiden lieber auslässt, es ist zumindest für mich schlicht nicht vorstellbar.

Egal, wichtig für eine Satire ist natürlich das, was aufs Korn genommen wird. Und hier wird es schwierig, denn so richtig wird mir nicht klar, was hier eigentlich gesagt werden soll. Praktisch alle Figuren, ausgenommen Gabriels Mutter vielleicht, sind Karikaturen, vollkommen überzeichnet, vollkommen klischeehaft. Damit reproduziert der Roman das Stereotyp des dummen cis Mannes in verschiedenen Variationen und den Gegensatz der klug-schlagfertigen Feministin, die jedoch in ihrer Ruhe, Gelassenheit und Reflexion oft auch schon überzeichnet ist.

Auf diesem Gerüst aus Klischees entwickelt der Roman dann den epischen Kampf zwischen zwei Bürgerkriegsparteien, den cis Männern der alten Welt gegen feministische Aktivistinnen: der Guerrillatruppe des »Phallischen Staats« gegen die »Prinzessinnen«, die Protagonistinnen der »verbrannten Revolution«. Gewalt beherrscht das Geschehen, die Prinzessinnen bringen die Macht auf ihre Seite.

Die Frauen übernahmen die Initiative. Die Prinzessinnen konnten unzählige Unterstützerinnen für für ihre Sache gewinnen, Mitstreiterinnen mit mal mehr, mal weniger radikalen Ansichten, die dafür sorgten, dass sich eine noch nie dagewesene Gewalt etablierte.

Mitten drin Gabriel als Anführer des Phallischen Staats. Frei nach dem Motto, dass erst aus der kompletten Zerstörung des Alten etwas Neues erwachsen kann, treibt er den Kampf der Geschlechter auf die Spitze, um eine neue Welt möglich zu machen. Und wird damit zum cis-männlichen Märtyrer der feministischen Revolution. Zu ihrem Ermöglicher, dem Erlöser, wie ein Essay aus der Zukunft am Ende des Romans auch nochmal für alle diejenigen klarstellt, die es vorher nicht kapiert haben sollten.

Ich muss dem Roman zugute halten, dass er durch sein geschicktes Spiel mit Unwissenheiten und Leerstellen gut unterhält und Spannung erzeugt. Stilistisch ist es okay, normaler Durchschnitt würde ich sagen, auch wenn gerade die Dialoge oft ziemlich hölzern sind. Auch sind für Suhrkamp untypisch ziemlich viele Fehler im Buch stehengeblieben. Das ist aber noch okay.

Mein großes Problem mit diesem Roman liegt in seinem satirischen Anspruch und der Umsetzung: Es wird kein Denkanstoß gegeben, keine krasse Parabel erzählt, die einen sprachlos zurücklässt, auch wenn es sich erstmal so anhört. Zwar wird eine krass überdrehte Geschichte erzählt, die am Ende mit sich überschlagenden Plot-Wendungen Thrillerqualitäten aufruft, aber durch immer wieder nachgeschobene Erklärungen und ständiges Ausbuchstabieren wird das Nachdenken über das eigentliche Thema im Ansatz abgewürgt. Eine Satire muss mir was vor den Latz knallen und mich dann im Regen stehenlassen, mich nicht einlullen und mir Dinge immer wieder erklären.

So ist mir am Ende schlichtweg nicht klar, was Der Feminist eigentlich von mir will. »Lass dich erstmal ordentlich unterhalten, ich erkläre dir dann schon noch alles«? Das subversive Potenzial verpufft zwischen Klischees und Plot-Twists, Überzeichnung und ganz offensichtlicher Lust, immer noch einen Schritt weiterzugehen, als die Leser*innen erwarten würden. Natürlich kann ich mir jetzt denken: Ok, ich als cis Mann sollte Frauen unterstützen, aber es nicht übertreiben, denn sie brauchen nicht schon wieder einen Mann, der die Zügel in die Hand nimmt, um sie zu befreien. Das ist aber einfach zu wenig, dafür braucht es schlichtweg keinen Roman.

Repila: Der Feminist

Iván Repila

Der Feminist

Suhrkamp Nova

216 Seiten | 16 Euro

Erschienen am 22.6.2020

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Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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