Literarisch auf den Hund gekommen: In liebevollen Anekdoten schrieb die Britin Vita Sackville-West 1961 über 44 Hunderassen, begleitet von eindrücklichen Bildern der Fotografin Laelia Goehr. Der hübsche Band Gesichter (Blumenbar) ist nun auch auf Deutsch erhältlich.
Als Kind habe ich mir immer einen Hund gewünscht. Am liebsten einen Bernhardiner, so wie in Ein Hund namens Beethoven, oder einen dicken, wuscheligen Neufundländer. Stundenlang habe ich in meinem GU-Ratgeber Hunde geblättert, mir Rassenmerkmale durchgelesen und meiner Mutter Bilder von Vierbeinern gezeigt, die ich mir gut an meiner Seite vorstellen könnte. Abends vorm Einschlafen gab es dann noch Hundegeschichten vom Franz und danach ab ins Traumland zu den Schnuffies. Leider war so eine kleine Dreiraumwohnung im zweiten Stock, in der wir lebten, wenig geeignet für meinen Wunsch. Ich bekam dann zwei Meerschweinchen – Susi und Schmusi. War auch okay, der Wunsch nach dem eigenen Hund geht aber bis heute nicht so richtig weg.
Nach dem Auszug von Zuhause kamen dann aber immer Dinge dazwischen, meistens gab es nie die passenden Lebensumstände. Deshalb beschäftige ich mich damals wie heute sehr gern mit Hunden in Büchern und bin sehr glücklich, dass ich durch Zufall auf die Hunde-Portraits der Autorin Vita Sackville-West und der Fotografin Laelia Goehr aufmerksam geworden bin, im Original bereits 1961 in Großbritannien erschienen. In Gesichter werden 44 Hunderassen vorgestellt, vom lockigen Cocker Spaniel über den Chow-Chow mit seiner blauen Zunge bis hin zum sehr royalen Corgi.
Goehr lieferte die Fotos der Vierbeiner, die wie Menschenporträts wirken – wirklich sehr gelungen –, und Sackville-West schrieb kleine persönliche Anekdoten zu den Fotos. Inhaltlich geht es dabei um ihre eigenen Erfahrungen mit der jeweiligen Rasse, um das Aufkommen jener in Großbritannien und auch immer mal um kritische Zwischentöne zu Themen wie Hetzjagd oder dem Kopieren von Schwänzen und Ohren, um absurden Rassemerkmalen zu entsprechen.
Die kurzen Vignetten sind charmant-witzig, pointiert und locker erzählt, aber nie plump oder trivial. Vielleicht muss man ein Hunde-Fan sein, um Gesichter so cool zu finden, wie ich es tue. Auf jeden Fall ist es das perfekte Geschenk für literarische Hundeliebhaber*innen. Ich hatte eine Menge Spaß mit diesem Buch und habe zudem vieles dazugelernt, das mir der GU-Hunderatgeber bisher vorenthalten hatte.
Interessante Randnotiz: Vita Sackville-West, die mir vorher rein gar nichts sagte, ist nicht nur leidenschaftliche Gärtnerin und Hundebesitzerin, sondern war auch die Geliebte von Virginia Woolf, die ihr wiederum in Orlando ein Denkmal setzte.
Vita Sackville-West / Laelia Goehr
Gesichter – Portraits einiger Hunde
Blumenbar
192 Seiten | 16 Euro
Erschienen am 13.10.2020