Es wird wieder kurz angerissen, diesmal mit Die Romantischen von Pankaj Mishra, Die kleine Hoffmann von Sophia Hoffmann und Madonna von Lady Bitch Ray aus der KiWi-Musikbibliothek.
Pankaj Mishra: Die Romantischen
Pankaj Mishra kenne ich vor allem von seinen Sachbüchern, die sich zwischen Gesellschaftsdiagnosen und einer Geschichte des asiatischen Antikolonialismus bewegen. Ein scharfzüngiger Denker, die die moderne Gesellschaft aus der Sicht der Schwachen, der Entwicklungs- und Schwellenländer betrachtet, auch wenn er selbst seit langem vor allem in London lebt. Die Romantischen von 1999 ist sein einziger Roman, der den Ich-Erzähler Samar auf dem Weg zu seiner Selbstfindung zeigt.
Das hört sich natürlich erst mal nicht so spannend an. Spannung ist es auch nicht, worum es Mishra hier geht. Der Roman ist für heutige Gewohnheiten beklemmend langsam erzählt, konnte mich aber mit seiner schönen Sprache und dem leisen, melancholischen Protagonisten auch in sehr handlungsarmen Passagen immer noch bei der Stange halten.
Wir begleiten Samar im Roman ein paar Jahre lang, sehen ihn zwischen westlichen Aussteigern im nordindischen Benares, sehen ihn seine erste Liebe in einer jungen Französin finden, deren vorprogrammiertes Ende ihn traumatisiert, und begleiten ihn bei der Lösung des Traumas. Der dezidiert nicht-westliche Blick, der hier auf eine Romanze und eine Selbstfindung geworfen wird, hat mich fasziniert. Das Wahrnehmen des Westler als das Fremde und Andere, was uns hier ja immer nur schwerfallen kann, ist erhellend und macht die sehr vorhersehbare Liebesgeschichte zu einer interessanten Beobachtung. Jetzt freue ich mich aber auch darauf, bald wieder ein Sachbuch von Mishra zu lesen … [s]
Pankaj Mishra: Die Romantischen | Aus dem Englischen von Barbara Schaden | Suhrkamp | 314 Seiten | 4,99 Euro
Sophia Hoffmann: Die kleine Hoffmann
Männliche Köche und Kochbuchautoren setzen gerne ein »groß« vor ihren Namen, wenn es um neue Bücher geht, wie etwa der »große Lafer«. Sophia Hoffmann stapelt nicht so hoch und bringt mit Die kleine Hoffmann ein weiteres spezielles Kochbuch raus. Nach Zero Waste Küche ist auch dieses nicht in erster Linie ein Rezeptbuch, sondern verfolgt ein höheres Ziel. Es möchte die Leser*innen befähigen, sich von Rezepten komplett frei zu machen. Das entspricht so dermaßen meinem Anspruch an freies und genussvolles Kochen, dass ich mich riesig auf den Titel gefreut habe.
Und ich wurde nicht enttäuscht! Natürlich setzt Die kleine Hoffmann ganz unten an, also erklärt komplett von Anfang an alle Zusammenhänge des Kochens von der Ausrüstung über die Räumlichkeiten, Organisation, Motivation … Da habe ich hier und da auch mal geskippt. Aber das ist ja in Ordnung. Was mich an dem Buch sehr gefreut und mich dazu gebracht hat, es wirklich durchzulesen, ist die riesige Freude am Kochen, die sich aus jedem Satz im Buch ablesen lässt. Es ist einfach toll, wenn die Zeilen eines Buchs über das Kochen so sehr vor Begeisterung strotzen, dass die Lust am Kochen noch einmal mehr überspringt. Eine große Bereicherung für mich, wobei es mit der Umsetzung in die Praxis natürlich immer nochmal ein wenig schwieriger ist. Aber ich habe nun neue Projekte – z.B. Aquafaba (das dickflüssige Kochwasser von Kichererbsen, Bohnen und anderen Hülsenfrüchten) immer weiter zu verwenden und nicht wegzuschütten oder ein leckeres Getreiderisotto zu kochen –, die eigentlich alle Die kleine Hoffmann mit der Zero Waste Küche verbinden, um weniger wegzuschmeißen und noch flexibler mit dem Gemüse aus unserer wöchentlichen Kiste umzugehen. [s]
Sophia Hoffmann: Die kleine Hoffmann | ZS Verlag | 240 Seiten | 22,99 Euro
Lady Bitch Ray: Madonna
Stefan ist ja schon lange begeisterter Leser der KiWi-Musikbibliothek und ich habe mich jetzt auch mal an einen Band herangetraut. Madonna ist tatsächlich der erste Teil dieser Reihe, der sich einer weiblichen Künstlerin widmet, und wir sind hier insgesamt immerhin schon bei Band sechs – wurde also Zeit! Ich wollte diesen Band unbedingt lesen, weil ich nicht nur Madonnas Musik mag, sondern auch den Blick der Rapperin und promovierten Sprachwissenschaftlerin Lady Bitch Ray auf die Popikone interessant fand. Ich wurde nicht enttäuscht: Die Autorin schreibt über ihr erstes Madonna-Shirt, das sie sich als Jugendliche kaufte und noch jahrelang trug, darüber, wie Madonna sie mit ihren sexpositiven Auftritten und ihren Konventionen sprengenden Texten sowie Videoclips in ihrer eigenen Musikkarriere empowert hat und welchen Einfluss Madonna auf ihren Feminismus hatte.
Bei all der Lobpreisung kommen aber auch kritische Töne nicht zu kurz und das macht diesen Band für mich so stark. Dass Madonna auf der einen Seite eine DER Ikonen der queeren Community ist und sich auf der anderen Seite immer wieder queerer Schutzräume (Bsp. »Vogue«) bedient hat, um sich selbst zu vermarkten, verschweigt Lady Bitch Ray keinesfalls – auch Themen wie kulturelle Aneignung und Madonnas White Saviorism kommen zu Wort. Thematisch ein prima Band, aber ich muss sagen, dass ich mir sprachlich etwas mehr erhofft hatte. Der Text war mir etwas zu lapidar heruntererzählt, aber das soll hier nicht zu stark ins Gewicht fallen. [j]
Lady Bitch Ray: Madonna | Kiepenheuer & Witsch | 144 Seiten | 10 Euro