Es ist wieder so weit, kurz angerissen geht in die nächste Runde. Diesmal mit Rote Asche von Akin Emanuel Şipal, Kapitalismus, Freiheit und das Proletariat von G. A. Cohen und Verschwörungen. Eine Suche nach Mustern von Umberto Eco.
Akin Emanuel Şipal: Rote Asche
Der bisher vor allem aus dem Theater bekannte Autor Akin Emanuel Şipal nimmt uns in seinem Beitrag für Das Gramm mit auf den Tennisplatz. Rote Asche bezeichnet dabei nicht nur das bekannte Geläuf, auf dem etwa am Hamburger Rothenbaum gespielt wird. Die Assoziationen gehen weiter zu Hitze und Tod, Wut und Vergänglichkeit. Damit sind wir mitten im Match, das die Handlung von Rote Asche bildet.
In Anlehnung an die Recherche erinnert sich der Protagonist beim entfernten Klang eines Tennisspiels an einen dekwürdigen Tag vor Jahren, den er dann Revue passieren lässt. Die mit feinen sinnlichen Eindrücken gespickte Schilderung legt dabei schnell einen doppelten Boden frei. Denn es geht natürlich hier nicht einfach um ein Tennisspiel auf irgendeinem Ascheplatz in Gelsenkirchen, sondern es geht um Rassismus und Klassengrenzen, die sich im Spiel immer weiter verdeutlichen.
Auch wenn die Grenze zwischen Realität und Eindruck dabei immer weiter schwankt, zeigt dieses Oszillieren, wie sehr gerade migrantisch geprägte Menschen wie der Protagonist von diesem vermeintlichen Makel durchzogen sind, wie dieser Makel sich in den Gedanken festsetzt und das Sein ungewollt durchwirkt. [s]
Akin Emanuel Şipal: Rote Asche | Das Gramm | 22 Seiten | Abo für 24 Euro im Jahr
G. A. Cohen: Kapitalismus, Freiheit und das Proletariat
Es ist mal wieder ein neuer Verlag am Start. Der Menetekel Verlag aus Berlin stellt sich mit kleinen politischen Essays auf, die in einer ganz schick reduzierten, klassischen Gestaltung daherkommen und damit den Text in den Vordergrund stellen. Den Anfang macht der Essay Kapitalismus, Freiheit und das Proletariat von G. A. Cohen.
Cohen war Marxist und lehrte soziale und politische Theorie in Oxford. Er selbst war vor allem in der analytischen Philosophie groß geworden, was sein eigenes Werk deutlich prägt. So auch Kapitalismus, Freiheit und das Proletariat. Der Essay nimmt den klassischen Streitpunkt zwischen Liberalen und Marxisten in den Blick, nämlich die klassische marxistische Aussage, dass die Proletarier im Kapitalismus gezwungen seien, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, und die liberale Entgegnung, dass sie die Freiheit hätten, dies nicht zu tun.
Anstatt nun loszupoltern, wie dies viele Kampfschriften beider Lager gern taten und tun, verlegt sich Cohen ganz nüchtern auf die Analyse. So kann er zeigen, dass die Aussagen beider Lager ungenau sind und zwangsläufig kollidieren müssen, da sie von je komplett unterschiedlichen Freiheitsbegriffen ausgehen. Ein in seiner Stringenz beeindruckender, in seiner Knappheit aber auch sehr fordernder Essay und damit ein guter Aufschlag für den Menetekel Verlag. Ich bin gespannt, was noch kommt. [s]
G. A. Cohen: Kapitalismus, Freiheit und das Proletariat | Menetekel Verlag | 58 Seiten | 9 Euro
Umberto Eco: Verschwörungen. Eine Suche nach Mustern
Ich sage es, wie es ist: Ich kann mit dem Literaten Umberto Eco nichts anfangen, musste seine Romane immer nach ca. 100 Seiten abbrechen, weil der klugscheißende, altväterliche Ton für mich leider komplett unerträglich ist. Ich will nicht das Gefühl haben, beim alten Onkel, der sehr stolz auf sein Studium ist, auf dem Schoß zu sitzen, wenn ich ein Buch lese. Als Essayist und Wissenschaftler war er mir aber eher noch unbekannt, da dachte ich mir, dass ich mir seine Gedanken zu Verschwörungen ja mal anschauen kann. Immerhin interessiert mich das Thema sehr, und man soll ja immer mal wieder über den eigenen Schatten springen.
Gesagt, getan. Erste Enttäuschung: Der Ton ist der gleiche, leider schafft es Eco auch hier nicht, die Attitüde des klugen Lehrers oder Geschichtenonkels hinter sich zu lassen. Da das Buch aber nur gute 100 Seiten hat, habe ich mich trotzdem durchgebissen.
Zweite Enttäuschung: Es handelt sich bei Verschwörungen um eine Zweitverwertung, die das Thema sehr weit auslegt und drei Reden versammelt, die es irgendwie streifen. Das ist in der Sache gar nicht immer uninteressant, hätte im Titel aber etwas deutlicher werden dürfen. Die Ausführungen zur Entstehung der Protokolle der Weisen von Zion und eine detaillierte Analyse der historischen Fehler in Dan Browns Illuminati-Büchern sowie andere Details zu beliebten historischen Fehldeutungen wie der mittelalterlichen Weltvorstellung sind durchaus lesenswert.
Wäre da nicht die dritte Enttäuschung: Ecos Darstellungen sind nicht nur altväterlich, sondern klingen auch oft persönlich beleidigt oder zumindest höchst verstört über das Unwissen so vieler Menschen. Das setzt dem ganzen die Krone auf und heißt für mich, dass es das wohl erstmal war mit Umberto Eco. Naja, es gibt ja noch viele andere Schriftsteller*innen … [s]
Umberto Eco: Verschwörungen. Eine Suche nach Mustern | Hanser | 128 Seiten | 12 Euro