Kurz angerissen, diesmal mit Gut gegen Nordwind von Daniel Glattauer, Engagiert euch! von Stéphane Hessel und John Belushi von Alexandra Stahl.
Daniel Glattauer: Gut gegen Nordwind
Als ich Anfang Juli von meiner ersten Coronainfektion niedergestreckt wurde, ging erstmal gar nichts mehr – nicht mal mehr Lesen und schon gar nichts Hochtrabendes. Nach ein paar Tagen im Delirium war ich dann zumindest wieder dazu in der Lage, Buchstaben überhaupt richtig aneinanderzureihen. Wie zufällig fiel mir das Taschenbuch von Daniel Glattauers bereist 2006 erschienenen Romans Gut gegen Nordwind in die Hände. So so, ein Roman, der komplett aus einem E-Mail-Verkehr zwischen zwei Personen besteht – das war jetzt genau das Richtige!
Emmi wollte eigentlich nur ein Zeitschriftenabo per Mail kündigen, schreibt aber aus Versehen an die falsche Adresse und erreicht Leo. Fortan tauschen die beiden Fremden sich per Mail aus. Es entwickelt sich ein witziger, zugewandter und zuletzt immer romantischer werdender Schlagabtausch. Doch es gibt da ein Problem: Emmi ist eigentlich glücklich verheiratet mit Bernhard und so nimmt das Ganze seinen Lauf.
Gut gegen Nordwind ist ein kurzweiliges Buch und eine moderne, gefällige Form des Briefromans. Vielleicht mag es dem Buch an Tiefe fehlen, aber dafür bleibt den Leser*innen umso mehr Raum für die eigene Fantasie – eine super Lektüre für Quarantänen und sonstige erschwerte Lesesituationen. [j]
Daniel Glattauer: Gut gegen Nordwind | Goldmann | 288 Seiten | 10 Euro | erstmals erschienen 2006
Stéphane Hessel: Engagiert euch!
Die kleine Streitschrift ist schon ein Klassiker. Ein wirklich kurzes Interview, das im Nachgang zu Hessels noch erfolgreicherer Streitschrift Empört euch! geführt wurde. Der ursprüngliche Impuls der Wut einer Jugend über die Politik, die ihre Belange nicht vertritt, wird hier ins Positive gewendet. Will sagen: Es geht nicht in erster Linie um Berechtigung der und Mut zur Wut, sondern um die Richtung, in die sie gelenkt werden kann, um gesellschaftlich noch stärker spürbar und dann eben hoffentlich auch produktiv zu werden.
Bemerkenswert neben der offensichtlichen Eloquenz und Aufgeschlossenheit Hessels jungen Menschen gegenüber ist für mich vor allem der Themenkatalog, der hier verhandelt wird. In Hinblick auf die Veröffentlichung 2011 sind die Forderungen nach Natur-, Klima-, Arbeitsschutz, vorausschauenden Rentenreformen und gerechter Asylpolitik im Einklang mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die Hessel mitgeschrieben hat, erschreckend aktuell.
Das hat in Bezug auf die Formen des Engagements, die hier genannt werden, natürlich seine Grenzen, insgesamt ist das Heftchen aber eine erbauliche, kurze und gute Lektüre. Kann man mal machen!
Disclaimer: Ich arbeite bei Ullstein. Die Rezension spiegelt nur meine eigene Meinung wieder und wurde weder beauftragt noch bezahlt. [s]
Stéphane Hessel: Engagiert euch! | Im Gespräch mit Gilles Vaderpoorten | Aus dem Französischen von Michael Kogon | Ullstein | 64 Seiten | 8 Euro | erschienen im Juli 2011
Alexandra Stahl: John Belushi
Oh, ein Text über den an einer Speedball-Überdosis gestorbenen Schauspieler? Natürlich nicht, aber ein klein wenig geht es schon um das Schauspiel in John Belushi von Alexandra Stahl. Denn die Protagonistin ist Dramaturgin am Theater, fühlt sich jedoch von den jungen Schauspieler*innen dort eher abgestoßen. Zu oberflächlich, zu affektiert. Auch in ihrer Beziehung fühlt sie sich nicht mehr ganz aufgehoben. Und dann ist da auch noch ihr unglaublich süßer Hund John Belushi, der immer mehr zum Symbol eines Lebens wird, das sie nicht führen will.
So stürzt sie sich in eine neue Freundschaft mit der Intendantin. Die beiden entwickeln eine Intensität, die alles am sonstigen Leben der Protagonistin schal aussehen lässt. Ein Umbruch, lang ersehnt. Die Erzählung taucht in wenigen Worten tief ein in die Gedankenwelt der Protagonistin, in ihre Frustrationen und ihre Langeweile an der Routine, in der sie sich selbst mit ihrer Familie eingerichtet hat. So gibt der Text Einblick in eine wohl typische Midlife-Crisis-Situation, die so ständig stattfinden mag. Die ebenso ruhige wie emotionale Sprache vermag dabei wunderbar die melancholische Stimmung zu transportieren, die sich in der Spannung zwischen Euphorie und Traurigkeit einstellt. [s]
Alexandra Stahl: John Belushi | Das Gramm | 25 Seiten | im Abo | erschienen im Juli 2022