Was geht eigentlich so in Lappland? Einiges, muss man sagen, wenn man Der Fluch des Hechts von Juhani Karila gelesen hat. Fische, Mücken, skurrile Bewohner*innen – aber auch reichlich Geister und andere Wesen sind in dieser bekloppten Liebeserklärung an die Einöde dabei.
Es war einmal ein Sumpf in Lappland. Und es waren einmal ein Hecht, eine junge Frau, ein junger Mann, eine Polizistin, reichlich eigenwillige alte Leute und nicht weniger höchst eigenwillige Geisterwesen. Und ein Fluch natürlich, den wollen wir nicht vergessen. Und eine unvorstellbare Anzahl von Mücken, auch die muss erwähnt sein, wenn man über Der Fluch des Hechts von Juhani Karila spricht.
Wir sind also schon mittendrin. Der Debütroman des finnischen Autors, der in guter Homunculus-Tradition von Maximilian Murmann überaus spritzig und wortgewandt übersetzt wurde, spielt in seiner Heimat, Lappland. Nun ist Finnland für Mitteleuropäer*innen weder geographisch noch sprachlich das allernächste europäische Nachbarland. Lappland setzt dem Ganzen mit seiner Landschaft aus Wäldern und Sümpfen, der feuchten Hitze im Sommer und klirrenden Kälte im Winter sowie der überaus geringen Bevölkerung noch einen drauf. Kein Wunder, dass gerade dort eine Sagenwelt entstand, in der es nur so kreucht und fleucht.
Den Kern von Der Fluch des Hechts bildet die recht komplizierte Teenager-Liebesgeschichte zwischen Elina und Jousia. Sie wird immer wieder in Rückblenden erzählt. In der Gegenwartshandlung ist die Polizistin Janatuinen hinter Elina her, da diese eines Mords verdächtigt wird. Doch die Polizistin aus Helsinki merkt schnell, dass in Lappland die Uhren anders ticken, und schnell bildet sich eine Clique aus den verschiedensten Personen und Gestalten, die zusammen versuchen, das grundlegende Rätsel – den titelgebenden Fluch des Hechts – zu lösen.
Damit funktioniert Der Fluch des Hechts größtenteils wie ein Abenteuerroman. Die Gruppe wird vor immer neue Probleme gestellt, die sie gemeinsam lösen. Dabei wird die Dynamik getragen von den schrägen Charakteren, die sich immer wieder ineinander verhaken. Und natürlich den heimlichen Stars: Lappland und seine Fabelwesen. Gerade durch die Städterin Janatuinen kann die Erzählung hier glänzen und einen klaffenden Kontrast zwischen Stadt und Land, Zentrum und Peripherie aufreißen, bei dem schnell klar wird, dass jegliche Überheblichkeit eher in den Tod als zu irgendeinem anderen Ausgang führen wird.
Janatuinen hatte am Fenster gestanden, bis sich der Katzenkopf zu ihr gedreht hatte wie der Geschützturm eines Panzers. Die Katze hatte sie angeblickt und miaut. Daraufhin hatte Janatuinen sich vom Fenster zurückgezogen, etwas Wasser aus dem Glas auf ihrem Nachttisch getrunken, sich Stöpsel in die Ohren gesteckt und zurück ins Bett gelegt.
Das alles wird überaus humorvoll erzählt, mit genauso großer Liebe zur Sprache wie zu den verschrobenen Personen und dem Land, in dem sie mit all seinen unglaublichen Verrücktheiten verwurzelt sind.
Der Fluch des Hechts von Juhani Karila ist eine Liebeserklärung an die Einöde und die dort lebenden Menschen, an Lappland im Besonderen, darüber hinaus jedoch an alle Menschen und Gegenden, die schnell als rückständig und abgehängt abgetan werden. Die Magie, die dem Roman innewohnt, ist darüber hinaus ein Gleichnis für die durch keine Wissenschaft zu ersetzenden Bande zwischen den Menschen selbst, für das Leben und die Freude daran. Gerade in Zeiten, die immer mehr von der Vereinzelung und dem Abreißen der Kommunikation geprägt sind, ein wichtiges Plädoyer.
Juhani Karila: Der Fluch des Hechts | Aus dem Finnischen von Maximilian Murmann | Homunculus | 304 Seiten | 24 Euro | erschienen im März 2022