Sebastian Hotz: Mindset

Von Arbeit und Männlichkeit: Sebastian Hotz hat mit Mindset seinen ersten Roman geschrieben. Gelingt die Geschichte um einen windigen Männlichkeitsguru?

Mindset Cover

»Mindset ist Manifestieren für Männer«. Den Satz hat El Hotzo alias Sebastian Hotz vor Kurzem auf dem inoffiziellen Twitter-Nachfolger Bluesky rausgehauen. Damit sind wir gleich doppelt im Thema. Einmal natürlich bei seinem Debütroman Mindset und dessen Thema, einem Männlichkeitsguru und der Suche nach einer männlichen Identität in der Spätmoderne. Und dann aber auch bei der in solchen Fällen immer angebrachten Frage, ob eine Person, die auf Social Media mit kurzen Sätzen immer wieder ins Schwarze trifft, auch in der langen Form überzeugen kann.

Erstmal zum Inhalt. Im Zentrum von Mindset stehen zwei Männer, Maximilian und Mirco. Maximilian hat es geschafft: Er gibt Seminare für Männer, die Erfolg haben wollen. Erstmal im Job natürlich, finanziell, aber nicht weniger bei Frauen. Dazu braucht es für ihn exakt eine Sache: das richtige Mindset. Und genau das möchte er den Kursteilnehmern vermitteln. So kommen sie immer wieder in wechselnden Seminarräumen quer über Deutschland verteilt zusammen, um seiner minutiös einstudierten Show beizuwohnen.

Mirco dagegen ist mit seinem Leben höchst unzufrieden, es läuft weder beruflich, noch hat er irgendeinen Erfolg bei Frauen. Eigentlich ist er in beiden Feldern einfach unsichtbar. Selbstzweifel zerfressen ihn. Da kommt ihm die Werbung für Maximilians Mindset-Seminare auf Instagram gerade recht. Er saugt den grell dargestellten Erfolg seines neuen Vorbilds geradezu auf, kopiert ihn, wo er nur kann, versucht zu trainieren, sich zu disziplinieren, zu enge Anzüge mit weißen Sneakern ohne Socken zu tragen und schwere Uhren, herrscht Kolleg*innen ungehobelt an. Das Mindset kommt schließlich vor dem Erfolg, der sich nun unweigerlich einstellen muss.

Der Roman zeigt Mircos Einstieg in den Männlichkeitskult parallel zum Aufblättern von Maximilians verkorkstem Leben, hinter dessen grell leuchtender Social-Media-Fassade sich ein äußerst armes Würstchen verbirgt, das auf den Trümmern der eigenen schlechten Entscheidungen lebt. So weit, so erwartbar, aber die Geschichten der beiden Männer sind gut komponiert und flott geschrieben, sodass die Lektüre zwar nicht wirklich neu oder überraschend, aber doch durchweg unterhaltsam ist. Auf die meisten etwas zu gewollt witzigen Passagen hätte ich zwar verzichten können, aber das ist wohl Geschmacksache.

Schön finde ich an Mindset, dass es die Aporien der Spätaufklärung am Beispiel der traurigen Männer um Maximilian schön durchexerziert, dabei Mirco wie auch Maximilian aber als Menschen ernst nimmt und nicht komplett als Abziehbilder wegschmeißt. Die prollig-toxische Männlichlichkeitsfassade, die das Mindset bildet, wird aber natürlich trotzdem als komplett irre Ausflucht aus einer Welt dargestellt, die zu komplex für einfache Rollenbilder geworden ist und der gerade viele Männer durch einfache Antworten, also traditionelle Rollenbilder, entfliehen wollen.

Das nähert den Mindset-Kult – und damit sind wir wieder am Anfang – dem Manifestieren an, entpuppt ihn als genauso esoterisches Geschwurbel, nur eben in toxisch-männlich. Ein Zauberbild, das sich vor die Komplexität der Welt schiebt und eine Möglichkeit schafft, die volle Verantwortung für das eigene Handeln – und damit eben auch die Möglichkeit zu scheitern – von sich fernzuhalten.

Sebastian Hotz schafft es für mich, in seinem Debütroman Mindset die ganz kleine Form zu verlassen und auf Romanlänge zu überzeugen. Das ist gute Unterhaltung mit Sinn für die Gegenwart.

Sebastian Hotz: Mindset | KiWi | 288 Seiten | 23 Euro | Erschienen im April 2023

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Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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