Édouard Louis: Monique bricht aus

Weiter in der Familiengeschichte: Édouard Louis nimmt in seinem neuen Roman Monique bricht aus die zweite Trennung seiner Mutter in den Fokus.

Louis, Monique bricht aus, Cover

Ein beliebtes Sprichwort lautet: Vom Regen in die Traufe. Man flüchtet aus einer schlimmen Situation in eine unerträgliche, alles wird nur noch schlimmer. Genauso erging es Monique, der Mutter von Édouard Louis, in seinem neuen Roman Monique bricht aus. Sie hat sich von Édouards Vater getrennt, hat ihn vor die Tür gesetzt und spürt zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie Freiheit. Weg ist der arbeitslose, saufende, gewalttätige und herrische Mann. Mit ihm verschwinden zwar nicht alle Probleme für die Familie, aber zumindest ein großes ist erstmal weg.

Doch bald lernt Monique einen neuen Mann kennen und entschließt sich schnell, zu ihm nach Paris zu ziehen. Dort wohnt er in einer kleinen Hausmeisterwohnung, die fortan auch ihr Heim wird. Es kommt, wie es kommen muss: Sobald sie eingezogen und finanziell von ihm abhängig ist, entfesselt sich wieder die gleich Dynamik. Er säuft, beschimpft Monique, wird handgreiflich – sie ist schon wieder gefangen bei einem Mann, dessen einzige Sprache die Gewalt darstellt. Hier setzt der Roman an und erzählt die Geschichte ihrer zweiten Trennung und damit ihren Weg in eine Freiheit, die sie nun, beim zweiten Versuch, endlich wirklich frei machen soll vom Zugriff der Männer auf ihr Leben.

Mit Monique bricht aus setzt Édouard Louis damit die Sezierung der eigenen Familiengeschichte weiter fort, allerdings ist hier zum ersten Mal ein neues Gefühl besonders prominent. Natürlich waren auch schon andere Romane von Verständnis und Sympathie für die Protagonist*innen durchzogen, wie etwa das erste Buch über seine Mutter, Die Freiheit einer Frau, oder das Buch über seinen Vater, Wer hat meinen Vater getötet. Waren diese immer von einer Ambivalenz dessen geprägt, dass beide sowohl Opfer der Verhältnisse, in denen sie Leben, als auch Täter in der gewaltvollen Erziehung der eigenen Kinder sind, schlägt hier das Pendel ganz deutlich auf die Seite der Sympathie aus.

Es ist also gewissermaßen der erste wirklich positive Roman Louis‘. Natürlich kommt er nicht ohne Rückblicke auf gewaltvolle Ereignisse aus, durchaus auch solche, in denen sich die Mutter ihm gegenüber schlecht verhält. Am Ende überwiegt aber immer seine Freude über die Emanzipation seiner Mutter aus dem Griff der Männer. Die Freude ist so groß, dass sie manchmal ein wenig an Prahlerei grenzen mag, ist er doch die Person, die seiner Mutter entscheidend bei diesem Schritt in die Freiheit hilft und dies in einem Roman darstellt. Louis wäre aber nicht Louis, wenn nicht ausreichend Brüche in der Darstellung vorhanden wären, um diesen Eindruck immer wieder schnell zu verwischen.

Monique bricht aus ist ein herzerwärmender Roman, der wie aus einer dunklen Vergangenheit zu kommen scheint, aber in der jüngeren Vergangenheit spielt. Er ruft ins Gedächtnis, dass auch heute noch alleine in Deutschland täglich Femizide begangen werden, Misogynie an der Tagesordnung ist und sich zum Beispiel immer noch in der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen prominent in deutschen Gesetzen wiederfindet. Eine neue Facette von Édouard Louis, dessen Lebenswerk nun in eine positivere Phase überzugehen scheint.

Édouard Louis: Monique bricht aus | S. Fischer | Aus dem Französischen von Sonja Fink | 160 Seiten | 22 Euro | Erschienen im Februar 2025

Kategorie Blog, Rezensionen

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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