Anne de Marcken: Es währt für immer und dann ist es vorbei

Zombie-Apokalypse mal anders: In Es währt für immer und dann ist es vorbei schreibt Anne de Marcken von Nächstenliebe und Verlust in einer so fremden wie nahen Dystopie.

de Marcken, Es währt für immer und dann ist es vorbei, Cover

Bei Zombie-Sachen denke ich ja immer gleich an spritzendes Blut und Menschen mit fremder Gehirnmasse im Gesicht. An richtig trashige Splatterfilme wie Braindead von Peter Jackson aus dem Jahr 1992, die 28-Days/Weeks Later-Filme von Danny Boyle, an groß angelegte Serien wie The Walking Dead oder auch ganz aktuell an die Computerspieladaption The Last of Us. Die Menschheit sieht sich einem bösartigen Parasiten gegenüber, der die Menschen durch einen Biss befällt und sie zu willenlosen, untoten Wesen macht, die einzig und allein noch den Hunger nach menschlichem Fleisch in sich haben – von den einstigen Menschen aber nichts übrig ist.

Um den Hunger der Zombies geht es auch in Es währt für immer und dann ist es vorbei von Anne de Marcken. Doch geht es hier nicht um entmenschlichte Massen von Untoten, die Jagd auf die Lebenden machen. Das gibt es zwar auch, aber die Welt des Romans ist schon so weit auseinandergefallen, dass kaum noch Menschen zu finden sind. Die Zombies sind mehr oder weniger unter sich, nur hier und da kreuzt mal ein Mensch ihre Wege.

Der Roman kreist statt dessen um die namenlose Protagonistin. Sie ist ein Zombie und als solcher hat sie keine Erinnerung an die Person, die sie einmal war. Trotzdem ist sie aber ein denkendes und fühlendes Wesen, das sich im Verbund mit anderen Zombies ein neues Leben aufbaut – auch wenn, wie hier zu Beginn, einfach mal ein Arm abfallen kann. Als dunkle Erinnerungen in ihr immer drängender werden, macht sie sich auf den Weg um das zu finden, was vielleicht einmal ihr Leben war. Irgendwo an der Küste muss es sein, wo sie einen Erinnerungsfetzen verortet.

Es währt für immer und dann ist es vorbei ist ein höchst untypischer Zombie-Roman. Zwar ist er in einer postapokalyptischen Welt voller Zombies mit Gier nach Menschenfleisch angesiedelt, doch diese Welt wird nur im Vorbeigehen erzählt, denn es geht vielmehr um die Suche der Protagonistin nach ihrer menschlichen Vergangenheit und ihrer Weigerung, sich weiter dem Hunger nach Menschenfleisch hinzugeben.

Hier und da gibt es auch ein wenig Splatter und schwarzen Humor, zum größten Teil ist der Roman aber ein suchendes Tasten, ein fast philosophisches Nachdenken über Identität und Gruppenzugehörigkeit, über Gesellschaft und Individuum. Er nimmt also hintergründige Tropen von Zombie-Apokalypsen und rückt sie in den Vordergrund.

Für mich gerät das Ganze aber auch trotz der schön rotzigen Übersetzung von Clemens J. Setz etwas zu ruhig und meditativ, um durchgängig zu überzeugen. Vielleicht hätte es doch noch ein wenig mehr Handlung, noch einen oder zwei interessante Charaktere gebraucht, um die morbide und doch irgendwie auch hoffnungsvolle Stimmung des Romans richtig hervorzubringen und damit komplett zu überzeugen.

So bleibt Es währt für immer und dann ist es vorbei ein sehr interessanter Zombie-Roman, der das Genre ordentlich gegen den Strich bürstet und damit frischen Wind in die untote Stube lässt. Das ist toll, hätte aber noch etwas inspirierter rüberkommen können.

Anne de Marcken: Es währt für immer und dann ist es vorbei | Suhrkamp | Aus dem Englischen von Clemens J. Setz | 151 Seiten | 23 Euro | Erschienen im April 2025

Kategorie Blog, Rezensionen

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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