Überwuchert: Chimäre von Sarah Kuratle macht seinem Namen alle Ehre. Eine lyrische Dystopie über Liebe, Freundschaft – und das Leben in all seinen schillernden Facetten.

In Chimäre von Sarah Kuratle wuchert es. In einem Konservatorium für Pflanzen, abgeschieden auf einer Insel, irgendwann in einer möglichen Zukunft, leben die Schüler*innen und Professor*innen, um das Leben der Pflanzen zu archivieren – in Form von Samen und Zeichnungen der ausgewachsenen Pflanzen. Oder sind es doch vielmehr Porträts der Menschen, die die Pflanzen vor dem Verschwinden bewahren wollen und sich, ob sie wollen oder nicht, in die Zeichnungen einschreiben?
Der Roman schreibt abwechselnd über Alice und Gregor, die einmal zusammen auf dem Konservatorium waren, doch nun getrennt sind. Alice hat es auf das Festland verschlagen, sie möchte sich selbst neu finden. Gregor dagegen bleibt. In einer wild wuchernden, alles verschränkenden und doch nichts ausbuchstabierenden Sprache erzählt der Roman ein Stück ihres Lebens, ihrer Vergangenheit und Gegenwart.
Die lyrische Sprache macht Chimäre aus. Alles hier changiert, schwebt, nichts ist eindeutig und klar. So feiert der Roman nicht nur die Vielfalt und Vitalität der Pflanzen, sondern auch die Vielfalt des menschlichen Lebens und setzt damit aus allem Verwobenen und Changierenden doch ein klares politisches Zeichen in einer Gegenwart, in der Diversität in jederlei Hinsicht bedroht ist.
Sarah Kuratle: Chimäre | Otto Müller | 160 Seiten | 23 Euro | Erschienen im August 2025