Und wieder ist ein Jahr vergangen, das sich kaum auf irgendeinen Nenner bringen lässt. Wir sagen »Tschüssi 2025!« mit unseren Highlights und ein paar anderen Einblicken in die kleine Pösi-Welt.
In den letzten Jahren sind wir hier mit einer kleinen Einleitung in den Beitrag gestartet, die versucht, die Welt um uns herum und unsere Leben ins Verhältnis zu bringen und ein kleines Resümee des vergangenen Jahres zu geben. Das wird aber langsam zu einer Wiederholung des immer Gleichen. Die Polykrise im Außen bleibt einfach wie sie war, mit Auf und Ab auf kleinem Niveau und Tendenz zur Abwärtsspirale. Der Kontrast zum Innen könnte kaum größer sein, was es sinnlos macht, hier noch ein Verhältnis zu suchen. Wir bleiben dankbar für unser ruhiges Leben im uns umgebenden Chaos und arbeiten weiter daran, immer resilienter zu werden. Die Kraft dazu wünschen wir auch euch allen!
Und jetzt Vorrede aus und ab zum eigentlichen Sinn und Zweck dieses Beitrag: den Büchern von 2025.
Unsere Lesehighlights 2025
Stefan
Ich muss mich wiederholen, denn auch in diesem Jahr gehört der Gewinnertitel des Deutschen Buchpreises zu meinen absoluten Highlights: Der Roman Die Holländerinnen von Dorothee Elmiger verbindet Form und Inhalt zu einem widerspenstigen Geflecht, das den Horror der Existenz inmitten einer undurchdringlichen Dunkelheit greifbar macht. Große Literatur auf kleinem Raum, ein Spektakel!
Ebenfalls auf der Shortlist war der Roman Die Ausweichschule von Kaleb Erdmann. Auch dieser konnte mich nachhaltig beeindrucken, denn auch hier sind Form und Inhalt aufs Engste verknüpft, was aber ganz anders funktioniert als in den Holländerinnen. Denn Die Ausweichschule nähert sich seinem Thema, dem Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002, aus der Perspektive eines Überlebenden, der nach einem Weg ringt, von seinen Erlebnissen zu erzählen. Das hat Witz und Tiefe und zeigt auf ganz andere Weise, wie Literatur die Erinnerung formen kann.
Die beiden Romane stechen aus meiner Liste weit heraus, dahinter gibt es diesmal leider nicht mehr die ganz großen Highlights. Für mich war es eher ein schwaches Lesejahr, was aber auch einfach mit der neuen Lebenssituation und allgemein weniger Zeit zum Lesen selbst, aber auch etwa zum Auswählen von Büchern, die ich lesen möchte, zu tun hat.
Gut fand ich aber noch Eine Chance ist ein höchstens spatzengroßer Vogel von Yulia Marfutova, ein Roman über den Zusammenbruch der Sowjetunion und die Träume und Hoffnungen der Menschen aus diesem so geschlossenen System, das uns bis heute nicht loslässt. Auch Let’s Talk About Feelings von Leif Randt hat mir gefallen. Der durch sein ausdrücklich eskapistisches, softes Setting mit einem in jeder Hinsicht überaus mittelmäßigen Protagonisten polarisierende Roman konnte mich mit seinem am Ende doch eigensinnigen Coming-of-Middleage aber kriegen.
Auch Der Kaiser der Freude von Ocean Vuong hat mir Spaß gemacht, fällt für mich aber leider deutlich hinter den Vorgänger Auf Erden sind wir kurz grandios zurück. Es ist ein großer amerikanischer Roman über die »kleinen Leute«, die meist unsichtbar für den Mindestlohn in Franchise-Restaurants arbeiten und so unbemerkt das Land am Laufen halten. Außerdem fand ich noch Heim von Saskia Hennig von Lange beeindruckend. In dem Roman geht es um eine Familie in der BRD der 1950er Jahre, die durch ein geistig behindertes Kind aus dem Korsett der absoluten Normalität der Nachkriegszeit herausfällt und daran zerbricht. Ein mutig erzählter und aufrüttelnder Roman über Verdrängung und die Unfähigkeit, miteinander zu sprechen.
Ich habe in diesem Jahr eher wenige Sachbücher gelesen und keins hat mich dabei über die Maßen beeindruckt, daher möchte ich hier auch keins extra hervorheben.
Juliane
Ich hatte das Gefühl, in 2025 wieder häufiger zum Lesen zu kommen als noch in den vergangenen Jahren – zum Rezensieren hier auf dem Blog allerdings leider nicht. Aber gut, ein Schritt nach dem anderen! 32 Bücher habe ich gelesen und neun Jahreshighlights sind es geworden:
Ich beginne hier mal mit einem Lieblingsbuch 2025, das mir so unfassbar nah ging, dass ich bis heute auch nicht so richtig darüber schreiben konnte: Für immer seh ich dich wieder von Yannic Han Biao Federer. In diesem literarischen Essay schreibt der Autor über den Verlust seines Babys Gustav, und das auf eine so schmerzhafte wie liebevolle Weise, dass mir dieses Buch noch sehr lange in Erinnerung bleiben wird.
Ähnlich berührt und vor allem sprachlich beeindruckt hat mich Dem Mond geht es gut von Paulina Czienskowski – ein Buch über die Beziehung zur eigenen Mutter, wie sie sich nochmal neu gestaltet, wenn eigene Kinder dazukommen, und über die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen. Ganz große Literatur.
Wenn wir gleich beim Thema Kinderkriegen bleiben wollen, möchte ich auch nicht mehr die Anthologie Eltern werden missen, herausgegeben von Kati Hertzsch. Nahbar, persönlich und so facettenreich – von und für Eltern und Nicht-Eltern.
In diese Kerbe schlägt auch mein nächstes Highlight: Der Debütroman meiner Freundin Anne Sauer: Im Leben nebenan. Eine Was-wäre-wenn-Geschichte, welche die Themen Mutterschaft, Kinderwunsch und Lebensentscheidungen auf spannende sowie vielschichtige Weise beleuchtet.
Die größte Romanüberraschung war in diesem Jahr das Buch Gym von Verena Kessler für mich. Ein überaus witziges, ja, skurriles Buch über eine Frau, die beginnt, als Tresenkraft in einem Fitnessstudio zu arbeiten. Den Job hat sie allerdings nur bekommen, weil sie vorgab, gerade entbunden zu haben. Diese kleine Notlüge muss sie nun aufrechterhalten und lässt sich gleichzeitig immer mehr vom Fitnesswahn einnehmen. Ein wildes, aber nicht gesellschaftsunkritisches Buch, das auch Fans von Body-Horror ansprechen dürfte.
Im Sommer waren wir zwei Wochen lang in Dänemark und das Unfassbare ist passiert: Ich hatte nicht genügend Bücher eingepackt. Zum Glück konnte mir ein Freund eines leihen, das dann tatsächlich ein Jahreshighlight geworden ist: Die Wand von Marlen Haushofer. Eine Frau wacht in einer Berghütte auf und ist plötzlich durch eine unsichtbare Wand vom Rest der Welt abgeschnitten. Ein paar Tiere sind ihr geblieben und sie findet nach und nach einen Weg, in und mit der Natur zu überleben. Es passiert eigentlich nicht viel in diesem Buch aus dem Jahr 1963, aber die Ich-Perspektive und die wunderbar beschriebene Atmosphäre haben mich fast atemlos diesen Roman lesen lassen – ein Buch, das auch die nächsten sechzig Jahre die Lesenden in den Bann ziehen wird.
Ebenfalls im Sommer und deshalb von den Temperaturen her mehr als passend habe ich Heiße Milch von Deborah Levy in der Übersetzung von Barbara Schaden gelesen und wirklich sehr gemocht. Sprachlich besonders – der »Levy-Ton« hat auch mich wie viele andere zuvor in seinen Bann gezogen – und herrlich skurril.
Auch meine Freundin Friederike Oertel hat in diesem Jahr ihr erstes Buch herausgebracht: In ihrem Sachbuch Urlaub vom Patriarchat – Wie ich auszog, das Frausein zu verstehen berichtet sie von ihrer Reise nach Mexiko in eines der letzten Matriarchate der Welt und was diese Reise mit ihrem Verständnis von Feminismus gemacht hat. Eine Mischung aus Reisebericht und faktenbasierter Auseinandersetzung mit feministischer Theorie – super recherchiert und mit spannenden Einblicken in eine andere Kultur.
Und zum Schluss habe ich noch einen Graphic-Novel-Tipp für euch: Das Ende der Unversehrtheit von Dr. med. Bärbel Grashoff und Marie Luisa Kerkhoff klärt mithilfe von toll gestalteten Panels ganzheitlich über das Thema Brustkrebs auf – inklusive einer Anleitung zur Früherkennung.
Und sonst so?
Das zweite Jahr mit Kind bleibt natürlich von ständigen Veränderungen geprägt, aber es ist kein Vergleich zum viel engeren Babyjahr zuvor. Wir sind ja auch schon im ersten Jahr viel unterwegs gewesen und haben uns nicht komplett verkrochen, das zweite Jahr erscheint aber noch viel mehr als Jahr der Entspannung. Das Kind wird mit seinen tapsigen kleinen Schritten immer selbständiger und das bringt doch sehr viel Leichtigkeit in den Alltag. Nicht unbedingt mehr Ruhe und Zeit zum Lesen, aber doch wieder ein viel leichteres Lebensgefühl. Und mit etwas Support bei der Betreuung auch wieder mehr Zeit zu zweit, manchmal sogar abends und außerhalb der Wohnung!
So waren wir neben vielen, vielen spielenden Stunden draußen und in der mittlerweile mit allem nur denkbaren Spielzeug vollgestopften Wohnung auch wieder öfter mal zu zweit unterwegs. Mal im Kino, auch mal zu Lesungen oder Premieren, aber auch und zum ersten Mal für ganze zwei Nächte in einem Wellness-Resort, während das Kind bei den Großeltern war. Das war unser Geschenk zur Hochzeit, und es war einfach traumhaft. Aber auch der Besuch des 33. open mike, zum ersten Mal seit acht Jahren einfach nur als Besucher*innen, war einfach toll. Leider nicht mehr im Neuköllner Heimathafen, sondern für uns far out im Silent Green im Wedding, aber immer noch der wichtigste Nachwuchsliteraturwettbewerb Deutschlands.
Damit bleibt nur noch eins übrig, und zwar euch für euren beständigen Support über all die Jahre zu danken. Es ist nicht einfach für uns, am Ball zu bleiben und nicht hinter den vielen kleinen Aufgaben des Alltags zu verschwinden. Umso mehr freut es uns zu sehen, dass unsere Beiträge weiterhin gelesen und kommentiert werden. Das zwar eher auf Instagram als hier auf dem Blog, aber das ist ja auch okay so. Wir wollen uns auch weiterentwickeln und versuchen, die auf allen Seiten kürzeren Aufmerksamkeitsspannen besser in unseren Blog bzw. vor allem auf unserem Instagram-Account zu integrieren und kurzweiliger Bücher zu präsentieren – also stay tuned! <3
