Lucia Zamolo: Rot ist doch schön

Warum schämen wir uns beim Kauf von Tampons? Wie fühlt sich PMS an? Und wieso gelten menstruierende Personen in weiten Teilen der Welt immer noch als unrein? Diese und andere Fragen stellt Lucia Zamolo in ihrem Buch Rot ist doch schön (Bohem Press / Ausgabe der Büchergilde Gutenberg) und fordert dazu auf, die Regelblutung endlich zu enttabuisieren.

Zwischen dem 11. und dem 14. Lebensjahr geht es bei den meisten los: Der erste Tropfen Blut in der Unterhose. Peinlich. Schnell zur besten Freundin, um Hilfe bitten – was mache ich denn jetzt? Und: Hoffentlich sieht es keiner! Die erste Menstruation ist ein wichtiger Schritt zum Erwachsenwerden und gleichzeitig immer noch sehr schambehaftet, wie die Illustratorin Lucia Zamolo ausführt.

Die Autorin nimmt uns in ihrem wunderschön gestalteten Buch Rot ist doch schön – das zugleich ihre Abschlussarbeit an der Fachhochschule Münster im Bereich Design ist – gleich zu Beginn mit zu dem Moment, in dem es für sie selbst mit der Menstruation losging. Ein sehr persönlicher Einstieg, der die erste Periode gut nachskizziert. In der Ich-Form schildert die Autorin im Laufe ihres spielerisch illustrierten Buches immer wieder eigene Erlebnisse. So etwa eine Erinnerung an die Kindheit, als sie ihren Vater fragt, was Menstruationsblut sei, der Vater aber partout keine Antwort findet.

Wie wäre alles abgelaufen, wenn Männer menstruieren würden?

Sprachlosigkeit auf Seiten der Männer und die Tabuisierung der Menstruation in Zeiten patriarchaler Machtstrukturen sind Kernpunkte, die Zamolo in ihrem Buch beleuchtet. Mit einem ironischen Blick auf historische Fakten – die Autorin nennt sie »Fun Facts« – zeigt sie, wie vor allem Männer sich in der Geschichte oft anmaßten, über menstruierende Personen zu urteilen. Der Arzt und Theologe Paracelsus beispielsweise verbreitete im 16. Jahrhundert den Irrglauben, es gebe kein schädlicheres Gift als das Menstruationsblut. Im Mittelalter sagte man menstruierenden Frauen nach, den »bösen Blick« zu haben – bloß nicht angucken! Und nicht zuletzt in der Bibel werden menstruierende Frauen als »unrein« stigmatisiert.

Doch damit nicht genug. Auch heute noch ist die Menstruation in vielen Ländern der Welt ein absolutes Tabuthema, was Zamolo anschaulich unterstreicht. So wird in der Ukraine Frauen empfohlen, während der Menstruation nicht in die Kirche zu gehen. In anderen Ländern wie in Nepal werden Menschen in sogenannte »Menstruationshütten« verbannt.

Und NIEMANDEM steht zu, dieses Thema als nichtig abzutun oder dir das Gefühl zu geben, über etwas Schmutziges zu reden. Lasst uns diesen Teufelskreis durchbrechen und neue Umgangsformen schaffen.

Dennoch: So erschreckend und aufklärend diese Erkenntnisse sind, so wenig erhebt Zamolo den Zeigefinger. Rot ist doch schön belehrt nicht, sondern lädt vielmehr zum Mitmachen ein – das Buch ist nicht nur schön gestaltet, sondern macht auch Spaß. Es gibt ein kleines Bilderrätsel, eine Malen-nach-Zahlen-Sequenz und eine Art Psychotest zum Thema PMS, der die Vorzeichen der Regelblutung wie Unterleibsschmerzen oder Stimmungsschwankungen knallhart aufzählt. Zamolo gibt hilfreiche Tipps für den Kampf gegen die Regelschmerzen, vom selbst genähten Körnerkissen über Yoga-Übungen bis hin zu schmerzlindernden Kräutertees. Die ausdrucksstarken wie filigranen Illustrationen sind – selbstverständlich – in verschiedenen Rottönen gehalten. So verschieden wie die Wahrnehmung der eigenen Menstruation.

Am Ende sollten dieses Buch jedoch nicht nur menstruierende Personen lesen, sondern jede und jeder. Rot ist doch schön ist ein Appell, offener über die Regelblutung zu reden und stolz darauf zu sein, was unsere Körper leisten. Denn die Menstruation – und das stellt Lucia Zamolo deutlich heraus – steht sinnbildlich für das große Ganze: das Leben.

Diese Rezension erschien zuerst im Büchergilde Magazin 03/2019.

Lucia Zamolo

Rot ist doch schön

Büchergilde Gutenberg / Bohem Press

96 Seiten | 16,- / 14,95 Euro

Erschienen 2019

Filed under Blog, Indiebooks, Rezensionen, Sachbuch

Aufgewachsen im schönen Brandenburg lernte ich schon früh die ländliche Einöde lieben und verteufeln zugleich. Heute kehre ich immer wieder gern heim, wohne allerdings lieber in urbanen Räumen. Lesen geht ja zum Glück überall und bietet Ausflüge in diverse Welten. Hier schreibe ich über meine Lektüren.

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