Zwischen kommunistischer Vergangenheit und kapitalistischer Gegenwart schimmert das Mittelalter und die düsteren Mysterien Rumäniens durch. Dana Grigorceas Roman Die nicht sterben (Penguin) verknüpft postkommunistische Gegenwart und Geschichte mit einem Schuss Vampirmythologie, aber ohne Verve.
Das kleine Städtchen B. an der Grenze zu Transsilvanien in Rumänien hat beileibe schon bessere Zeiten gesehen. Spätestens nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes verließ die junge Generation die Gegend, um in Westeuropa Geld zu verdienen. Alle Vorsätze, es mit dem dort verdienten Geld wieder zurück in die Provinz zu schaffen und dort ein Leben aufzubauen, scheinen zu scheitern. Halbgebaute Ruinen zeugen von den verworfenen Vorhaben. B. ist ein vergessener Ort, nur wenige Familien wohnen noch dort.
So wie die Großtante der Erzählerin von Die nicht sterben. Mamargot, wie sie sie nennt, lebt in einer Villa, die während des Kommunismus beschlagnahmt war, dann aber an die Familie zurückgegeben wurde, um nun wieder zu einem Ort voller Besuch und großbürgerlicher Dekadenz zu werden. Künstler*innen und Intellektuelle geben sich die Klinke in die Hand. Auch die Erzählerin passt hier wunderbar rein, hat sie doch in Paris Kunst studiert und kann genau wie ihre Großtante mit den Problemen der Armut leidenden Menschen im Ort nur wenig anfangen.
Mit ironischer Distanz, aber in direkter Ansprache der Leser*innen erzählt die Protagonistin in Die nicht sterben die Geschichte des Örtchens B., die durch die nicht ganz zufällige Entdeckung eines prominenten Grabs umgekrempelt wird und dabei auch ihre Familie und sie selbst nicht unberührt lässt. Denn das Grab gehört Vlad dem Pfähler, genannt Dracula, und es befindet sich in der Familiengruft der Erzählerin. Auch in ihr erwachen in der Folge dunkle Züge, sie wird zum Vampir.
Sie werden in allem, was ich Ihnen erzähle, böse Anzeichen sehen Ankündigungen für das, was folgte. Sie werden sich nach Vorboten fragen, den Vorboten des Schocks, der unvorstellbaren Grausamkeiten, des Todes aller Tode.
So verknüpft die Erzählerin die Geschichte des historischen Fürsten Vlad des Pfähler in ungeschminkter Grausamkeit mit Beobachtungen des Elends auf dem rumänischen Land und der Habgier vieler Protagonisten im Ort, die buchstäblich über Leichen gehen. Was die Protagonistin mit ihren neuen Vampirfähigkeiten dann auch tut.
Das Potpourri aus Geschichte, Mythen, Gesellschaftspanorama und einem Schuss Surrealismus oder Fantasy könnte durchaus Reiz entfalten. Zum Anfang ist die Erzählung, sobald man sich an die ironische Distanz der Erzählweise gewöhnt hat, ganz flott und recht unterhaltsam. Leider zerfasert der Roman für mich in der Folge immer mehr und schafft es nicht, ein Thema oder einen Zusammenhang wirklich in den Fokus zu nehmen. Irgendwie passen alle Teile für mich einfach nicht zwingend zusammen. Die Protagonistin sagt mir nichts, ihre Sozialstudien kommen mir aus ihrer Position aufgesetzt vor, die Historie steht fast zusammenhanglos daneben. Der Vampirismus könnte ja noch irgendwie Pepp reinbringen, aber nein, auch der bleibt sinnlos und kommt genauso unverhofft wie er wieder geht.
Die nicht sterben von Dana Grigorcea ist ein Roman mit vielfältigen Anlagen, die in Rumäniens Geschichte, Mythen und Gegenwart verwurzelt sind. Leider schafft der Roman es für mich nicht, sie wirklich zwingend zusammenzubringen und einen roten Faden zu spinnen. Die ironische Distanz der Erzählerin erwächst vor allem aus ihrer großbürgerlichen Herkunft und wirkt daher leider oft wie ein Herabblicken auf die Landbevölkerung. Das macht den Roman leider wenig rund und langatmig.
Dana Grigorcea
Die nicht sterben
Penguin Verlag
272 Seiten | 22 Euro
Erschienen am 1.3.2021
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