Eine Novelle, ein politischer Essay, ein Roman: Bunt durchmischt geht es in dieser Runde »Kurz angerissen« daher.
Jan Koslowski: Rabauken
Die neueste Novelle aus dem Korbinian Verlag liefert wieder genau das ab, womit die Kreuzberger*innen sich einen Namen gemacht haben. Radikal unverstellte Prosa, so ungeschliffen und nackt, dass es wehtut. Das auf doppelte Weise: Manchmal ist Rabauken zart wie wild und transportiert das Lebensgefühl eines wilden Sommers voller Möglichkeiten und ohne Ketten. Alles erscheint möglich in dieser kleinen Geschichte um Yusuf, Thibault, Clara, Pauline, Nico und andere Menschen vermutlich irgendwo in ihren späteren Zwanzigern. Manchmal nimmt die Erzählung den Drive dieses Lebensgefühl richtig auf, nimmt mit und trägt die Novelle wie auf einer leichten Sommerbrise.
Aber eben nur manchmal. Denn roh hin oder her, der Text strotzt dermaßen vor Fehlern, dass es einfach nicht spurlos an den Lesenden vorbeigehen kann. Und dann sind die Charaktere der Protagonist*innen und ihre vielen vielen Marotten derart hedonistisch und oberflächlich, dass es hart in die Karikatur geht. Dazu kommt noch die unfassbar wankelmütig-allwissende Erzählstimme, dass es manchmal vor überzeichneter Hippness einfach nicht mehr auszuhalten ist. Schade drum, die erzählerischen Ansätze sind hier wirklich gut, aber es kommt einfach zu viel zusammen, was es mir schwer gemacht hat, Rabauken durchgängig zu mögen. [s]
Jan Koslowski: Rabauken | Korbinian Verlag | 135 Seiten | 20 Euro
Justus Bender: Der Plan
Als wir kürzlich Post von Neonazis bekamen, kannte die Wut kaum Grenzen. Wie kommen Menschen dazu, solch eine Kacke wirklich zu glauben? Es ist schlicht unfassbar. Und dann auch noch uns etwas davon per Post zu schicken – einfach ein riesiger Downer. Der Plan von Justus Bender war da genau die richtige Anschlusslektüre. Denn er schreibt ruhig wie ernsthaft über das große Problem der Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen: Sie glauben an kompletten Wahnsinn, haben eine komplett irrationale Ideologie, gehen aber in ihren Aktionen oft überaus strategisch und durchdacht vor.
Der Plan schreibt dagegen an, Neonazis wegen ihres dummen Glaubens zu unterschätzen und sie als irrationale Einzelgänger abzutun. Denn die Gefahr, die von ihnen ausgeht, ist riesig und darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Um dies zu beweisen, untersucht Bender sechs Pläne, die rechtsradikale Attentäter oder Strategen von der Zeit des Zweiten Weltkriegs bis heute aufgestellt haben. Ich kannte hier ganz viel nicht, die Lektüre ist ebenso zugänglich wie erhellend. Pflicht! [s]
Justus Bender: Der Plan. Strategie und Kalkül des Rechtsterrorismus | Matthes & Seitz Berlin | 80 Seiten | 10 Euro
Żanna Słoniowska: Das Licht der Frauen
Das Licht der Frauen erzählt die Geschichte von vier Frauen aus vier Generationen, die zu einem ergreifenden Ereignis wieder näher zusammenrücken: dem Tod von Marianne, der Mutter der Erzählerin, die auch gleichzeitig die jüngste der vier ist. Mit ihrer Großmutter und Urgroßmutter lebt sie in einem Haus in Lemberg. Immer wieder schweift der vor sich hin bummelnde Plot in die Vergangenheit und erzählt mit der Geschichte der Familie auch die Geschichte von Lemberg. Einer Stadt zwischen Polen, der Sowjetunion und der Ukraine, einer Stadt voller nach dunklen Sowjetjahren wiederzuentdeckender Geschichte.
So interessant das alles klingt, so sterbenslangweilig ist es erzählt. Das Mäandern der Erzählerin ist ermüdend, zusammen mit dem irgendwie poetischen Ton fiel es mir über größte Strecken schwer, den Faden nicht zu verlieren. Kleine Episoden bleiben hängen und sind durchaus ganz schön, aber im Großen und Ganzen war die Lektüre für mich eine einzige Quälerei. Und wirklich Bedeutendes ist von der Geschichte Lembergs oder auch der Frauen in den letzten 100 Jahren dort bei mir auch nicht hängengeblieben. [s]
Żanna Słoniowska: Das Licht der Frauen | Kampa | 272 Seiten | 13 Euro (tb)