[class] 5 Fragen an Arno Frank und Heike Geißler

Am 3. Juni findet die siebte Ausgabe der Diskussionsreihe »Let’s talk about class« über Wege aus dem Klassenkrampf im Berliner ACUD statt. Ein weiteres Mal im Livestream und mit Motto: Es wird um den Milieuwechsel und das damit verbundene »Zwischen den Stühlen«-Sitzen gehen. Zu Gast sind Arno Frank, Heike Geißler und Bov Bjerg. Wir haben Arno Frank und Heike Geißler vorab fünf Fragen gestellt.


Arno Frank

Arno Frank
© Bernd Hartung

Wie stehst du zum Begriff »Klasse« und was bedeutet er für dich?
Der Begriff ist vor 2400 Jahren geprägt und vor gut 180 Jahren etabliert worden. Bis eine bessere Bezeichung für Ungleichheiten um die Ecke biegt, können wir meinetwegen gerne noch damit arbeiten; sofern uns davon nicht die Furcht abhält, dass »Klasse« zu marxistisch klingt. Persönlich und praktisch kommt mir der Begriff immer dann in den Sinn, wenn die ökonomischen oder kulturellen Unterscheide zu anderen Menschen spürbar werden.  

Wie hat deine soziale Herkunft dich geprägt?
»I don’t come from the working class, I’m from the criminal classes«, hat der Schauspieler Peter O’Toole einmal gesagt. Das wäre dann infraproletarisch. In meiner Studentenbutze hing eine ausgeschnittene Spiegel-Titelzeile über der Tür. Ich weiß nicht mehr, worum es in dem Artikel ging. Die Zeile lautete: »Raus hier, besser machen«.

Wärst du lieber in ein anderes soziales Milieu geboren worden? Wenn ja, in welches?
Gute Frage. Früher schon, heute nicht mehr.  

Welche Chancen und Tücken bringt ein vermeintlicher Klassenwechsel durch Bildung mit sich?
Warum »vermeintlich«? Ich glaube, das Aufstreben ist eine anthropologische Konstante. Ein Wechsel bedeutet, dass die Wurzeln abgeschnitten werden. Mit Luftwurzeln lässt sich aber auch ganz gut atmen.

Welche Bücher, Musik, Filme kannst du zu dem Thema empfehlen?
Alle. Bücher, Musik, Filme weniger, aber kulturelle Produkte einer bestimmten Güte generell waren die Sprossen, die mir bei meinem persönlichen »Aufstieg« geholfen haben. Die haben mich darüber hinaus auch gelehrt, dass »Klasse« ein Konstrukt und es durchaus möglich ist, nach unten wie oben diese Schichtungen schlicht zu ignorieren.

Arno Frank ist Journalist und Autor und arbeitet u.a. für Der Spiegel, Die Zeit oder Deutschlandfunk. Nebenbei schreibt er Romane und Essays, zuletzt erschien »Bremsklötze« in der Essaysammlung Klasse und Kampf (Claassen 2021).


Heike Geißler

© Adrian Sauer

Wie stehst du zum Begriff »Klasse« und was bedeutet er für dich?
Klasse lässt mich an »Arbeiterklasse und Proletarier aller Länder, vereinigt euch!« denken. Ich verspüre romantisch-kämpferische Impulse, die aus dem idealistischen Teil meiner Kindheit in der DDR stammen. (Und leicht reaktiviert werden können.)

Wie hat deine soziale Herkunft dich geprägt?
Das kann ich nicht beantworten. Denn das bedeutet vermutlich, zurückblicken zu müssen, Eigenschaften und Umstände der Gegenwart in die Vergangenheit hinein nachspüren zu müssen, was mir, wenn es um mich geht, die unangenehmste Denk- oder Forschungsbewegung ist.

Wärst du lieber in ein anderes soziales Milieu geboren worden? Wenn ja, in welches?
Nein, keinesfalls, diese Überlegung will ich nicht anstellen, sie kommt mir vergeblich, destruktiv und unfair meinen Eltern gegenüber vor. Ich bin aber vehement für eine gerechte Verteilung von Geld, Bildung, Möglichkeiten, für transparente Kulturen des Austauschs und der Transformation, für eine bessere Welt.

Welche Chancen und Tücken bringt ein vermeintlicher Klassenwechsel durch Bildung mit sich?
Diese Frage ist sehr groß. Ich kann sie unmöglich an dieser Stelle, in diesem Format beantworten.

Welche Bücher, Musik, Filme kannst du zu dem Thema empfehlen?
Lesen: Brigitte Reimann, Christa Wolf, Inge Müller. Die haben nicht unbedingt nur Texte zum Thema geschrieben, aber Texte, die um Kollisionen wissen, um Grenzen von Wahrnehmung und Handlungsfähigkeit. Musik: Hanns Eisler und Billy Nomates. Film: Daniel Druskat.

Die Autorin Heike Geißler veröffentlichte u.a. den Reportage-Essay-Roman Saisonarbeit (Spector Books, 2014) und die Arbeit zum Geld mani bucate money fest (2016). Sie ist Mitherausgeberin der Heftreihe Lücken kann man lesen und Teil des Performancekollektivs George Bele. Im Frühjahr 2022 erscheint ihr neues Buch.


Bov Bjerg

Bov Bjerg
© Gerald von Foris

Bov Bjerg ist Schriftsteller und Vorleser. Er gründete mit Freunden verschiedene Berliner Lesebühnen wie »Dr. Seltsams Frühschoppen«, »Mittwochsfazit« oder »Reformbühne Heim & Welt«. Er schreibt Geschichten und Romane, zuletzt erschien Deadline (neu herausgegeben, Kanon Verlag 2021). 


Let’s talk about class #7

Die Autor*innen Bov Bjerg, Arno Frank und Heike Geißler sprechen mit Daniela Dröscher und Michael Ebmeyer am 3. Juni über den Übergang von einer sozialen Klasse zu einer anderen und über die damit verbundenen biografischen Komplikationen.

Donnerstag, 03. Juni, 20 Uhr – Livestream aus dem ACUD Studio

Kategorie Blog, class

Aufgewachsen im schönen Brandenburg lernte ich schon früh die ländliche Einöde lieben und verteufeln zugleich. Heute kehre ich immer wieder gern heim, wohne allerdings lieber in urbanen Räumen. Lesen geht ja zum Glück überall und bietet Ausflüge in diverse Welten. Hier schreibe ich über meine Lektüren.

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