Es ist wieder Zeit für ein paar Kurzrezensionen, dieses Mal mit Büchern von Emma Jane Unsworth, Andrea Hejlskov und Jörg Scheller.
Emma Jane Unsworth: Adults
Jenny ist Mitte Dreißig, lebt in London, arbeitet bei einem coolen, pseudofeministischem Onlinemagazin als Kolumnistin und ist gerade frisch getrennt von Art. Die Beziehung war zwar eh mehr toxisch als alles andere, aber Jenny leidet, zumal Art nun mit jener Influencerin zusammen ist, die Jenny bis eben noch vergöttert hat. Apropos Influencerin: Jenny pflegt wie eine typische thirtysomething Großstädterin noch ein weiteres inniges wie toxisches Verhältnis – das zu ihrem Smartphone. Wäre das nicht alles schon genug, steht auch noch plötzlich ihre verschrobene Mutter vor der Tür, um für eine Weile bei ihr einzuziehen.
Es macht Spaß, Jenny durch London zu begleiten, ihr beim Straucheln zuzuschauen, vor allem wenn man wie sie ebenfalls um die Dreißig ist. Adults ist witzig und rasch erzählt – die 400 Seiten fliegen nur so dahin –, behandelt aber auch ernstere Themen wie Abtreibung mit einem feministischen Blick. Außerdem hat der Roman mir meine teilweise ungesunde Beziehung zum Smartphone und Instagram gespiegelt – immer wieder gut, das zu reflektieren!
Alles in allem schwamm mir Jennys Geschichte dann aber doch zu sehr an der Oberfläche, war mir zu schnell runtererzählt und löste in mir keinerlei Anschlussgedanken aus. Adults erinnert mich stark an eine meiner Lieblingsserien, die ich mir aber auch nicht in Romanform vorstellen kann: Girls. Gut zu wissen, dass Emma Jane Unsworth bereits an einer Fernsehadaption von Adults arbeitet. [j]
Emma Jane Unsworth: Adults | Eichborn Verlag | 400 Seiten | 22 Euro
Andrea Hejlskov: Wir hier draußen. Eine Familie zieht in den Wald
Andrea Hejlskov befindet sich 2011 mit ihrer Familie in jenem Hamsterrad, das viele von uns kennen: vierzig oder mehr Stunden pro Woche arbeiten um zu leben, von einem Termin zum nächsten hetzen, immer produktiv und effizient sein und dabei nur wenig Zeit für sich selbst und die Liebsten haben. Zusammen mit ihrem Mann Jeppe beschließt die Autorin, dass es reicht. Zudem sieht die Autorin besorgt in die Zukunft auf einer Erde, deren Ressourcen von den Menschen zu lang schon zum reinen Eigennutz ausgebeutet wurden. Andrea will kein Teil mehr davon sein. Und so schnappen sie und ihr Mann sich die vier Kinder und ziehen in den Wald – von Dänemark nach Schweden. Dort leben sie seitdem inmitten von Bäumen und im Einklang mit der Natur.
In ihrem 2013 in Dänemark und 2017 auf Deutsch erschienenen Buch Wir hier draußen schreibt Andrea Hejlskov über den Umzug in den Wald, das Bauen von Tipis und Holzhütten mit allen Höhen und Tiefen – nichts wird beschönigt oder gar romantisiert. Wenn beschrieben wird, wie sich die Familie ein neues Zuhause mitten im Wald aufbaut, ist das Buch für mich am stärksten. Nicht gebraucht hätte ich die pathetischen Selbstreflexionen der Autorin, die zudem stellenweise sehr redundant waren. Nichtsdestotrotz ist Wir hier draußen ein spannendes Memoir für alle, die schon immer mal übers Aussteigen und ein autarkes Leben in der Natur nachgedacht haben. [j]
Andrea Hejlskov: Wir hier draußen. Eine Familie zieht in den Wald | Mairisch Verlag | 296 Seiten | 20 Euro
Jörg Scheller: Body-Bilder
Gerade die Wahrnehmung von Körpern, dem eigenen wie anderen, wird durch die zunehmende Digitalisierung und Virtualisierung unserer Lebenswelt stark verändert. Jörg Scheller konzentriert sich in seinem Band aus der Reihe »Digitale Bildkulturen« auf die Veränderung von klassischem Body Building durch den Siegeszug der Sozialen Medien. Auch die Corona-Jahre, die den Trend noch weiter verstärkten, nimmt er in den Band schon mit auf.
Scheller orientiert sich in erster Linie am klassischen Body Building der 1980er Jahre als Blaupause, an der die Veränderungen zu heute bemessen werden. Haben die ersten Digitalisierungswellen rund um die Etablierung des Internets in den 1990ern und 2000ern noch vorrangig mehr internationale Verständigung bewirkt, hat vor allem Instagram durch die bildfixierte Echtzeitkommunikation den Bereich stark verändert. So ist das Feld der klassischen Body Builder durch junge Influencer*innen deutlich aufgemischt worden. Damit geht zum einen eine Entprofessionalisierung mit viel Desinformation einher sowie zum anderen der Trend zur Individualisierung von Körperidealen. Beides sieht Scheller differenziert, denn auch wenn Mega-Influencer*innen wie Pamela Reif für sehr traditionelle, eher konservative Werte stehen, gibt der Trend auch diverseren Personen die Möglichkeit, entgegen des Mainstreams eigene Akzente zu setzen.
Scheller bringt immer wieder gute Punkte in seiner Bildkultur, aber leider fehlte mir etwas die Struktur. Natürlich ist so ein Essay keine durchexerzierte Abhandlung, aber am Ende war mir alles doch zu sprunghaft und zu wenig auf einzelne Hauptphänomene zugespitzt. Außerdem lässt Scheller die negativen Auswirkungen von permanent perfekten Körpern im Feed gerade von pubertierenden Jugendlichen und den sich daraufhin häufenden Essstörungen und Krankheiten vollkommen außer Acht. Da hatte ich mir mehr versprochen, aber die immer wieder sehr treffenden Feststellungen können dafür entschädigen. [s]
Jörg Scheller: Body-Bilder | Digitale Bildkulturen | Wagenbach | 80 Seiten | 10 Euro