Die nächste Runde »Kurz angerissen« ist da. Diesmal mit Sich erinnern, man selbst zu sein von Paulina Czienskowski, Emojis von Gala Rebane und dem SUKULTUR-Bändchen Soll & Habitus.
Paulina Czienskowski: Sich erinnern, man selbst zu sein
Die Zeit der Pandemie, besonders die des kompletten Lockdowns, hat viele von uns in eine unbequeme Lage gebracht: allein mit sich selbst zu sein. Kein Sozialleben abseits von irgendwelchen Videochats oder gelegentlichen Spaziergängen, bei Künstler*innen oft auch keine Veranstaltungen mehr, keine Workshops etc.
Paulina Czienskowski verarbeitet diese Erfahrung der unfreiwilligen Abkapselung in ihrem Text Sich erinnern, man selbst zu sein. Der vielstimmig angelegte Text vertont die inneren Stimmen, die eigene Gedanken und erdachte Fremdzuschreibungen zusammenbringen. Es entsteht ein innerer Gedankenfluss zwischen Gespräch und Monolog, zwischen Selbstvergewisserung und Momenten großer Unsicherheit, verortet in einer unwirtlichen Winterlandschaft irgendwo im nirgendwo.
Sich erinnern, man selbst zu sein fordert viel Aufmerksamkeit ein, um den unvermittelten Bewegungen und verdeckten Bezügen des Gesprächs folgen zu können. Für mich war das nicht immer ganz leicht, mir fehlte entweder der Faden oder die Energie, immer dranzubleiben und jeden Gedanken nachzuvollziehen, jede Stimme immer richtig zuzuordnen. Zusammen mit den stimmungsvollen Illustrationen aber eine intensive kleine Lektüre für ein paar konzentrierte Stunden. [s]
Paulina Czienskowski: Sich erinnern, man selbst zu sein | Korbinian Verlag | 92 Seiten | 16 Euro
Gala Rebane: Emojis
Neu sind Emojis ja nun wirklich nicht mehr. Seit einigen Jahren kommen immer wieder Neuerfindungen der einfachen Emotionsbildchen auf die mobilen Endgeräte, um sie noch individueller und außergewöhnlicher zu gestalten. Gala Rebane beschreibt dies sowie die gesamte Geschichte dieses Phänomens in ihrer Digitalen Bildkultur Emojis. Für mich wieder ein Highlight der Reihe, das Technik und Kultur wunderbar zusammenbringt.
Die Geschichte wird nämlich technikhistorisch dargelegt. Von Emoticons zu Emojis und dabei quer über die Erde, denn die Ursprünge der verschiedenen Arten liegen auf allen Kontinenten verteilt. Dabei tun sich auch Leerstellen auf, wie etwa die Erfindung des Ur-Emoticons: der Smiley. Sie lässt sich einfach nicht sicher zuordnen.
Hinzu gesellt sich dann eine kommunikationstheoretische Betrachtung, die die beständige Kritik an Emojis und anderen bildlichen Sprachformen fast durchgängig widerlegt und ihren – je nach Anwendung – durchaus großen Nutzen beschreibt. Obwohl ich das meiste aus vielen Publikationen zu visueller Kommunikation, die ich vor vielen Jahren gelesen habe, grundsätzlich schon wusste, ist die kompakte Zusammenfassung sehr gelungen und ich habe nichts vermisst. Auch hat es mir nochmal die großen Vorteile von Emojis in der Kommunikation per Messenger deutlich gemacht. Also: 😀✌️ [s]
Gala Rebane: Emojis | Digitale Bildkulturen | Wagenbach | 80 Seiten | 10 Euro
Daniela Dröscher, Paula Fürstenberg (Hrsg.): Soll & Habitus
Wir begleiten die Berliner Veranstaltungsreihe »Let’s talk about class« nun bereits seit zwei Jahren auf dem Blog, da war der von class-Initiatorin und -Moderatorin mitherausgegebene Band Soll & Habitus sozusagen Pflichtlektüre.
Fünfzehn Autor*innen schreiben darin über ihr Verhältnis zu dem, worüber man in Deutschland nur ungern spricht: Geld. Kassenbons kommen auf den Tisch, es geht um Scham, offene Rechnungen, ein gestörtes Verhältnis zu Geld und immer wieder um Klassenunterschiede, die mal mehr, mal weniger offensichtlich zu Tage treten. Den Habitus bestimmen sie durchweg, nur können manche dies besser überspielen als andere.
Die Textminiaturen von u.a. Christian Dittloff, Shida Bazyar, Verena Güntner, Mareice Kaiser oder Şeyda Kurt sind ein kurzweiliger, erhellender und zudem poetischer Einstieg in das Thema Klassengesellschaft. [j]
Daniela Dröscher, Paula Fürstenberg (Hrsg.): Soll & Habitus (Schöner Lesen, Bd. 195) | SUKULTUR | 24 Seiten | 3 Euro