Sarah Biasini: Die Schönheit des Himmels

Sarah Biasini ist gerade einmal vier Jahre alt, als ihre Mutter, die gefeierte Schauspielerin Romy Schneider, plötzlich stirbt. In ihrem ersten Buch Die Schönheit des Himmels erinnert sie sich an alles, was passiert ist, und blickt auf ihre eigene Mutterrolle.

Sarah Biasini: Die Schönheit des Himmels

Seitdem ich als Kind die Sissi-Filme gesehen habe, bin ich Romy-Schneider-Fan. Ich war in Ausstellungen über sie, besitze mehrere Bildbände und kaufe mir jedes Jahr wieder einen Kalender mit Porträtaufnahmen der Schauspielerin. Ihre tragische Lebensgeschichte fasziniert mich genauso wie ihre Schönheit und ihr schauspielerisches Talent. Letzteres tritt vor allem in den späteren Filmen zu Tage und weniger in den von ihr selbst so verhassten Heimatkitschrollen.

Nachdem ich schon so einige bessere und schlechtere Biografien über Romy Schneider gelesen habe, war ich hocherfreut, als bei Zsolnay das Buch ihrer Tochter Sarah Biasini angekündigt wurde – und dann auch noch mit einem so schönen Covermotiv. In Die Schönheit des Himmels schreibt Sarah Biasini an ihre Tochter Anna, die im Februar 2018 geboren wurde. In kleinen Miniaturen, ähnlich Tagebucheinträgen, die zwischen den Jahren und Jahrzehnten hin- und herspringen, wird hier erzählt.

Mal weit zurück in die Vergangenheit springend, mal ganz in der Gegenwart spielend lässt Biasini Szenen aus ihrem Leben Revue passieren. Manche davon durchlebt sie noch einmal mit geschärftem Blick, andere verschwimmen vor ihren Augen, werden nur bruchstückhaft wiedergegeben – der Bezug zu ihrer Mutter, die so viele Menschen zu kennen glauben, schwingt in jedem Text mit. Und stets haftet Biasinis Gedanken etwas sehr Lebendiges und teilweise Poetisches an, was sicherlich auch der Übersetzung von Theresa Benkert zu verdanken ist.

Sarah Biasini erzählt von ihrem Aufwachsen beim Vater und den Großeltern, dem Fehlen der Mutter und des Bruders (im Sommer 1981 starb ihr Halbbruder David bei einem Unfall), ihrem Umgang mit Trauer, aber auch vom Neuanfang, von ihren Gefühlen während der Schwangerschaft, die Ausgangspunkt für all diese Gedanken zu sein scheint, und dem neuen Leben als Mutter. Die Schönheit des Himmels ist eine Annäherung an die eigene Mutter, den großen Filmstar, und die neu gewonnene Mutterrolle. Es ist ein vorsichtiges Abwägen zwischen Vergangenem und Neuem. Die Autorin bleibt dabei immer sehr bei sich, ihren wirklichen oder auch eingeschriebenen Erfahrungen, die sie beispielsweise durch Fotos und Videos verinnerlicht hat.

Wer eine weitere chronologisch durcherzählte Romy-Schneider-Biografie erwartet, wird mit diesem Buch nicht glücklich werden. Ich glaube allerdings, in diesem Buch mehr über die Privatperson Romy Schneider erfahren zu haben als in all den anderen Biografien, die ich über sie gelesen habe und die doch immer nur die nüchterne Außenperspektive oder wilde Vermutungen wiedergeben. Es gibt beispielsweise ein Kapitel, in dem sich Sarah Biasini schrecklich über den 2018 erschienenen und nicht nur von mir sehr geliebten Film 3 Tage in Quiberon aufregt. Ihre Mutter sei darin völlig zu Unrecht als Alkoholikerin und durchweg depressive Frau dargestellt worden und ihr selbst hätte der Film am allerwenigsten gefallen:

Ich tue das, was ich hasse, öffentlich über meine Mutter sprechen. Aber sie hätte diesen Film auch gehasst, er wäre nie herausgekommen, wenn sie noch am Leben wäre.

Biasini entzaubert den Mythos Romy Schneider, und das tut gut: zu lesen, dass auch sie eine Frau wie jede andere mit ihren ganz eigenen Kämpfen war.

Wenn wir sie lieben, lasst uns weiter ihre Filme sehen, eine schönere Würdigung gibt es nicht. Kein Grund, noch mehr Theorien über ihr Leben aufzustellen, über ihre Entscheidungen.

Ich habe Die Schönheit des Himmels wirklich gern gelesen, muss aber auch gestehen, dass mir Biasinis Gedanken zur Schwangerschaft oder zum Muttersein oft etwas zu ausufernd und pathetisch waren. Andererseits bin ich irgendwie auch »stolz« auf Sarah Biasini, dass sie eben ihr ganz eigenes Buch geschrieben hat, in der die berühmte Mutter zwar immer da ist, aber nur eine Randfigur spielt. Somit ist dieses Buch auch eine Art Selbstermächtigung, was sehr schön zu lesen ist.

Sarah Biasini

Die Schönheit des Himmels

Aus dem Französischen von Theresa Benkert

Zsolnay

192 Seiten | 22 Euro

Erschienen im Oktober 2021

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Aufgewachsen im schönen Brandenburg lernte ich schon früh die ländliche Einöde lieben und verteufeln zugleich. Heute kehre ich immer wieder gern heim, wohne allerdings lieber in urbanen Räumen. Lesen geht ja zum Glück überall und bietet Ausflüge in diverse Welten. Hier schreibe ich über meine Lektüren.

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