Vom Bachmannpreis gleich zum Debüt: In Hund Wolf Schakal schreibt Behzad Karim Khani über zwei ungleiche Brüder und ihr Schicksal nach der Migration aus dem Iran nach Deutschland.
Als Kinder kommen Saam und sein kleiner Bruder Nima nach Deutschland. An den Iran, das Land ihrer Geburt, erinnern sie sich nur noch wenig, Saam etwas mehr, Nima praktisch gar nicht. Der Vater wird ihn dagegen nie vergessen. Seine Frau, die Mutter der Kinder, wurde im Zuge der Islamischen Revolution ermordet. Und sein Leben wird sich auch auf andere Weise mit der Flucht ins komplett fremde Deutschland drehen. In Neukölln wagen die drei einen Neuanfang.
Bezeichnend für den Vater, Jamshid, ist – neben der Tatsache, dass er zumindest seine Söhne und sich vor den Revolutionsgarden retten konnte – zunächst der folgende soziale Abstieg. Vom gebildeten, politisch aktiven Menschen steigt er ab, bekommt nach der jahrelangen Anerkennung mit Glück einen Job als Taxifahrer. Doch die Gespenster der Vergangenheit lassen ihn nicht los, er kommt nicht zurecht mit dem Leben im neuen Land.
Da hat es Saam schon etwas leichter, aber auch nur etwas. Im arabisch geprägten Neukölln fällt er nicht sehr auf, akzeptiert wird er aber kaum. Nur ein libanesischstämmiger Junge interessiert sich für ihn, Heydar. Er nimmt ihn unter seine Fittiche, was Saams Schicksal vorzeichnet. Nima dagegen findet den Weg in einen sehr gemischten Freundeskreis, der ihm viel mehr Möglichkeiten offenhält. Auch leidet er gerade in den Anfangsjahren in Deutschland deutlich weniger unter der offenkundigen Armut der Familie als Saam und Jamshid.
Es ist nicht einfach, Geschenke anzunehmen, wenn man nichts hat. Armut macht jedes Geschenk zu Almosen, jede Großzügigkeit zu Mitleid. Macht den Beschenkten zum Bedürftigen, den Schenkenden zum Gönner. In jeder Gabe steckt ein Vertrag über oben und unten. Mit dem Annehmen unterschreibt man ihn.
Hund Wolf Schakal beschreibt das Schicksal der Familie in immer wieder schwankenden Anteilen. Der Roman beginnt bei Jamshid und der Flucht, wechselt dann die Perspektive zu Saam und seiner Freundschaft mit Heydar, dem Hereinwachsen in die kriminellen Strukturen von Heydars Brüdern. Diese sind Köpfe der organisierten Kriminalität in Berlin, handeln mit Drogen, Hehlerware und mehr. Nicht überraschend führt Saams Weg schließlich ins Gefängnis. Ab dort übernimmt Nima, sein Leben dient gewissermaßen als Kontrast, da er es über einen eher bürgerlichen Freundeskreis schafft, sich ein geregeltes Leben aufzubauen. Wobei unklar bleibt, ob dies auch ohne das Drogengeld von Saam möglich gewesen wäre.
Damit erzählt Hund Wolf Schakal eine Geschichte, die unbequem ist. Ähnlich wie Ellbogen von Fatma Aydemir geht es nicht um Erfolgsgeschichten der Migration, nicht um Erinnerungen an die Jugend in der Heimat, nicht um kulturelle Vergleiche, wie sie viele seichtere Romane über Migrationsgeschichten der letzten Jahre behandelt haben. Es geht um die dunklen Seiten, die die Einwanderung in eine mehrheitlich intolerante und systematisch rassistische Gesellschaft hervorbringen. Jedoch mit dem Hoffnungsschimmer Nima, zugegeben.
Genau wie bei Ellbogen geht es dabei aber nicht um Entschuldigungen für Verbrechen, die dargestellt werden. Es geht um die Gefühlswelt der Menschen, die in beklemmenden Verhältnissen aufwachsen und so leider in sehr vielen Fällen eins zum anderen führt. Hier wird aufgezeigt, was die Mehrheitsgesellschaft entweder verdrängt oder schlicht über rassistische Schienen dämonisiert. Die sogenannte Clan-Kriminalität wird ungeschönt dargestellt, dabei aber auch nicht romantisiert. Gerade die Gebrochenheit der vielen Charaktere tritt klar hervor – was alles am Ende noch schlimmer macht.
Stilistisch ist Hund Wolf Schakal eher schlicht gehalten. Die Sprache ist sehr zurückhaltend, selten gibt es mal einen Nebensatz oder längere Konstruktionen, auch rhetorische Figuren oder Metaphern sind selten. Das passt natürlich zu Saams geringer Schulbildung, nicht aber zu Nima oder Jamshid. Hier bleibt der Roman für mich deutlich hinter den hochlobenden Zitaten auf dem Umschlag zurück, was dem Roman im Ganzen aber keinen Abbruch tut.
Wolf Hund Schakal ist eine Familiengeschichte, die nach der Migration vom Iran nach Deutschland einsetzt. Sie erzählt von Armut und Verzweiflung, von organisierter Kriminalität, aber auch von Hoffnung, trotz allem. Ein wichtiges Buch, das gerade auch in der Debatte um sogenannte Clan-Kriminalität einen bisher selten gehörten Ton anschlägt.
Behzad Karim Khani: Hund Wolf Schakal | Hanser Berlin | 288 Seiten | 24 Euro | erschienen im August 2022