Und sonst so? [Monatsrückblick Juli und August 2022]

Die Hitze ballert, und das lange nicht mehr im Guten. Wir buckeln uns durch den Juli in den verdienten Urlaub im August und halten uns mit Festivals und anderen kleinen Highlights über Wasser. Corona gab’s auch noch, yay. Was sonst so los war in Juli und August, lest ihr hier.

Gelesen

STEFAN: Im Juli haben tatsächlich nur eine Rezension und ein Beitrag mit Kurzrezensionen das Licht der Welt erblickt. Urlaubszeit heißt ja auch immer viel Vertretungen im Job, daher ist das Sommerloch leider nicht immer so gut zu uns wie es sein könnte. Rezensiert habe ich Ist hier das Jenseits, fragt Schwein von Noemi Somalvico. Die wunderbare kleine Fabel bringt alles mit, um mal wieder richtig auf andere Gedanken zu kommen. Erfrischend absurde Ideen, Naivität mit Hintergedanken, rührende Charaktere – einfach schön.

Im August kam dann noch eine dazu, der Sammelband Glitzer im Kohlestaub des Klimakollektivs Zucker im Tank. Der Band hat mich ganz persönlich berührt, da ich aus dem rheinischen Braunkohlerevier komme, das seit den 1950ern komplett umgegraben wurde, und dort fast kein Stein auf dem anderen geblieben ist. In vielen Artikeln wird die Klimagerechtigkeitsbewegung beleuchtet, wobei mir gerade die Seitenblicke sehr gefallen haben. Ein Blick nach innen, den ich sehr bereichernd fand.

Außerdem gab es zwei Debüts: Hund Wolf Schakal von Behzad Karim Khani schaut auf eine Familie, die aus dem Iran nach Deutschland kommt. Der Vater und die beiden Söhne schlagen dann ganz unterschiedliche Wege ein, die auch in die Kriminalität führen. Ein Blick von unten auf ein gesellschaftlich umkämpftes Thema. Und dann noch Messer, Zungen von SGL, ein gelungenes Experiment, das das Erzählen dekonstruiert und eine Familiengeschichte aus verschiedensten Blickwinkeln montiert.

JULIANE: Oh ja, auch bei mir war das Sommerloch leider gar nicht mal sooo tief. Es gab immer was zu tun und wenig Zeit zum Lesen. Aber zum Glück auch eine Woche Urlaub in England, wo ich an einem signierten Exemplar von Emilie Pines Romandebüt Ruth & Pen nicht vorbeikam. Ich bin immer noch nicht ganz durch – ein ganzes Buch auf Englisch zu lesen ist für mich eine echte Herausforderung, die aber auch Spaß macht –, bisher gefällt es mir schon richtig gut. Wer mehr dazu erfahren will, kann mal hier reinschauen. Dort seht ihr nicht nur, welch schönen Kurzurlaub ich mich mit meiner besten Freundin Anika an einem Brandenburger See verbracht habe, sondern auch worum es in Ruth & Pen geht und was das Besondere an diesem Buch ist.

Gesehen

JULIANE: In den vergangenen beiden Monaten gab es für mich mal wieder zwei Netflix-Highlights. Zum einen die Doku Trainwreck: Woodstock 99, die sehr schön zeigt, wozu Menschen in der Lage sind, die mies behandelt werden, der Hitze ausgesetzt sind und durch Musik, in diesem Fall vor allem Nu Metal, angeheizt werden. Ursprünglich geplant als Revival des Love-und-Peace-Festivals von 1969 wird Woodstock 99 zur Katastrophe und letzten Endes vom Publikum niedergebrannt – die Dokuserie zeigt sehr anschaulich, wie es dazu kommen konnte.

Zum anderen hat mich die deutsche Serie Kleo in ihren Bann gezogen. Es geht um Stasi, DDR, Liebe, Intrigen und Geheimagent*innen – so weit, so bekannt. Doch Kleo ist anders, und ich kenne (und liebe) wirklich viele Serien über die DDR. Das Beste an Kleo ist Hauptdarstellerin Jella Haase (grandios!) und das Zweitbeste der spannende Plot, der durch absurde und skurrile Momente immer wieder unterbrochen wird.

STEFAN: Ich habe nochmal eine cineastisch anspruchsvolle und ziemlich abgedrehte Serie gefunden, die es mir angetan hat. Outer Range ist super strange in jeder Hinsicht, mixt Western und Mystery in der hintersten Einsamkeit von Wyoming. In die wunderschöne Landschaft mischen sich unerklärliche Abgründe, buchstäbliche wie menschliche. Die Charaktere sind perfekt gezeichnet und gespielt, nichts ist hier klar oder eindeutig. So muss es sein!

Außerdem fand ich die Serie Unbelievable beeindruckend. In dieser wird die Fahndung nach einem Serienvergewaltiger aus der Perspektive einer Überlebenden und zweier Ermittlerinnen dargestellt. Erschütternd, traurig, aber auch hoffnungsvoll stellt die Serie die immer noch gravierende Rückständigkeit in der Polizei gerade bei Vergewaltigungen heraus, zeigt aber auch Gegenbeispiele. Triggerwarnung ist klar, hier wird es sehr explizit.

Gehört

JULIANE: Da mir das Thema Klassismus schon seit Längerem am Herzen liegt und ich so ziemlich jedes Buch zu diesem Thema verschlinge, hat Stefan mir letztens die Folge »Warum unsere Gesellschaft die Armen verachtet« des BR-Pdcasts Zündfunk-Generator empfohlen. Darin analysieren die Journalist*innen Sebastian Dörfler und Julia Fritzsche, wie die Massenmedien seit vielen Jahren schon unser Bild von arbeitslosen Menschen prägen und den Graben zwischen Arm und Nicht-ganz-so-arm verbreitern. Sehr interessant!

Musiktechnisch hing ich im August noch ein wenig dem Festivalsommer nach und genoss das Nation-Set von Perel, das ich leider verpasst hatte, weil zu müüüüüüüde und schon im Zelt. Gut, dass es Soundcloud gibt für später.

STEFAN: Ich habe nun nach dem Hintergrund auch den Podcast Essay und Diskurs vom Deutschlandfunk für mich entdeckt. Reichlich interessante Themen werden hier subjektiv besprochen oder diskutiert. Vor allem die Folge zum Deutschrap-#metoo und dem (fehlenden) Schlaf fand ich klasse, ebenso wie diejenige zur Reiseliteratur in Zeiten des menschengemachten Klimawandels. Andere sind für mich auch immer mal wieder zu konservativ und lahm, wie etwa die Folgen zu Tattoos oder Gendersprache – aber so ist es eben mit der Subjektivität, und andere Meinungen oder Positionen anzuhören, tut ja meistens auch gut. Empfehlung!

Musikalisch sind die beiden Endachtziger-Alben der Pixies bei mir gerade hoch im Kurs, Doolittle von 1989 und Surfer Rosa von 1988. Einfach geil und kein bisschen angestaubt. Irre. Und die etwas zugänglichere Ergänzung zu den immer noch dauerrotierenden Sonic Youth.

Gemacht

JULIANE: Ich habe es weiter oben schon erwähnt: Der Juli stand ganz im Zeichen der Festivalsaison. Nach zwei Jahren Pause – wir alle wissen, warum – konnte ich endlich mein Fusion-Ticket einlösen und ein verlängertes Party- und Rave-Wochenende als eine von 75.000 Gäst*innen in Lärz verbringen. War schön, bis zu dem Moment, in dem ich morgens mit Fieber, Gliederschmerzen und Schüttelfrost im Zelt erwachte. Hello Covid! Also schnell ab nach Hause, Stefan anstecken (Sorry!) und auskurieren. War eine fiese Zeit, aber ich habe immerhin die perfekte Quarantänelektüre entdeckt: Gut gegen Nordwind von Daniel Glattauer. Easy read, ein bisschen was fürs Herz, moderner Briefroman – empfohlen für jegliche Art des Auskurierens.

STEFAN: Corona war auch für mich kacke. Einfach eine schlimme Erfahrung, die ich nicht nochmal machen will – auch wenn das ziemlich aussichtslos erscheint bei den aktuellen Ansteckungszahlen. Aber Maske muss wieder deutlich mehr sein. Ein Festival hatten wir dann aber trotzdem noch, die Nation of Gondwana. Ich war dort zum ersten Mal, und es war wirklich schön. Kleine Festivals haben ja immer so ein ganz eigenes Gefühl, das war hier auch so. Einfach heimelig und schön.

Und dann kam noch der Urlaub im August. Eine Woche in England, wir dachten an schöne Abkühlung, denn schlechtes Wetter ist da doch eigentlich garantiert? Nichts da, es war die heißeste Woche seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in England. Schön war es aber trotzdem, Bath und Brighton sind einfach hübsch, und ich bin immer wieder über den erfreulich lockeren und total normalisierten Umgang mit Ernährungspräferenzen, wie vegan bei mir, beeindruckt. Da kann sich Deutschland echt noch was von abschneiden. Jedes Pub hat was Veganes auf der Karte – jedes!

Geklickt

JULIANE: Apropos Klassismus: Ich habe im August eine tolle Initiative entdeckt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine menschenwürdige Grundsicherung in Deutschland zu schaffen und Arbeitslosigkeit zu enttabuisieren: Sanktionsfrei. Realpolitisch will sie, wie der Name schon andeutet, Hartz 4 sanktionsfrei machen. Man kann das Ganze durch Spenden jeglichen Betrags unterstützen – eine sinnvolle Sache.

STEFAN: Mich hat auf ganz negative Weise erstaunt, wie unglaublich schlecht ein Großteil der Berichterstattung über das transfeindliche Vollbrecht-Debakel war. Es war für mich erschreckend zu sehen, wie das rechte Narrativ von Cancel Culture, Zensur und fehlender Meinungsfreiheit schon wieder verfangen hat und alle Medien nur noch über diese Punkte berichtet haben. Die ausgestellte Transfeindlichkeit und bloße Provokation der Gruppe um die Protagonistin ist dabei zu sehr in den Hintergrund gerückt, was ein Armutszeugnis ist. Ich würde jetzt gerne einen tollen Artikel dazu posten, aber den habe ich leider nicht gelesen. Wenn jemand einen hat, immer her damit!

Kategorie Blog, Mischmasch
Autor

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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