Kurz angerissen // Jan Weiler, Taylor Jenkins Reid, Hannah Lühmann

Kurz angerissen, diesmal mit Der Markisenmann von Jan Weiler, Daisy Jones and The Six von Taylor Jenkins Reid und Know your Enemy von Hannah Lühmann und Anna Geselle.

Jan Weiler: Der Markisenmann

Ich habe noch nie ein Buch von Jan Weiler gelesen und bisher auch keinerlei Bedürfnis danach verspürt. Nachdem mir allerdings eine Freundin den Markisenmann so vehement ans Herz gelegt hatte, wurde ich dann doch neugierig. Und das etwas skurrile Grundsetting mit DDR-Bezug hat mich ebenfalls ein bisschen interessiert.

In Jan Weilers neuestem Roman wird die 15-jährige Kim über die Sommerferien zu ihrem Vater in den Pott geschickt. Problem: Den Vater kannte sie bisher nicht, und Kim ist ziemlich desillusioniert, als er schließlich in fader Klamotte mit seiner Klapperkiste vorfährt und sie in eine riesige Lagerhalle bringt. Dort wohnt Ronald Papen und führt sein wenig erfolgreiches Geschäft, den Vertrieb von nach der Wende aufgekauften DDR-Markisen. Kaltakquise, zwei aus der Mode gekommene Muster zur Auswahl, Türklinkenputzen. Kim ist zunächst not amused, doch nach und nach wachsen Vater und Tochter zu einem guten Team zusammen, kurbeln das Markisengeschäft gemeinsam an, erleben witzige Verkaufssituationen und durchleben einen ganz besonderen Sommer voller Kneipenabende, DDR-Hits und Spaghettieis.

Der Markisenmann lieferte mir genau das, was ich von diesem Buch erwartet hatte: Unterhaltung, die sich süffig wegliest, ohne klamaukig zu sein – genau richtig für den Sommer. Der Roman geht nicht allzu sehr in die Tiefe, die Sprache treibt den Plot an. Das ist keine hohe Literatur, will es auch nicht sein, aber doch wird zum einen sehr einfühlsam der Versuch beschrieben, nach 15 Jahren eine Vater-Tochter-Beziehung aufzubauen, und zum anderen das einfache Leben im Pott sowie typische DDR-Schicksale erzählt. Schmunzler mit inbegriffen. Leider wird an einigen Stellen diskriminierende Sprache reproduziert, die es meiner Meinung nach für den Plot und die Atmosphäre nicht gebraucht hätte. Ein Wermutstropfen in einem ansonsten wirklich netten Unterhaltungsroman. [j]

Jan Weiler: Der Markisenmann | Heyne | 336 Seiten | erschienen im März 2022

Taylor Jenkins Reid: Daisy Jones and The Six

Sorry, I’m late to the party, aber ich stelle euch dieses Buch jetzt trotzdem noch vor. Ganz flott, versprochen. Spätestens seit der Serienadaption für Amazon Prime ist Daisy Jones and The Six wohl in aller Munde – und die US-amerikanische Autorin Taylor Jenkins Reid legt seitdem und auch schon davor einen Bestseller nach dem nächsten vor. Also musste ich mich jetzt mal selbst überzeugen: Is it worth the hype?

Ich würde sagen: Yes, indeed. Aber erstmal kurz zum Inhalt: Die junge Daisy Jones kommt aus einem ignoranten Elternhaus und macht sich in den frühen 1970ern auf in die aufregende US-amerikanische Welt der Clubs, Bars und Musik. Sex, Drugs und Rock’n’Roll stehen auf der Tagesordnung des It-Girls. Doch Daisy kann nicht nur gut feiern, sondern vor allem wunderschön singen. Zeitgleich machen sich die Band The Six einen Namen in der Musikszene. Als Daisy schließlich zum ersten Mal auf die Band trifft, sprühen sofort die Funken – nicht nur musikalisch (mit Daisy als Sängerin sind The Six plötzlich so erfolgreich wie nie), sondern auch zwischen Daisy und Frontmann Billy.

Daisy Jones and The Six ist komplett in Interviewform geschrieben, ehemalige Bandmitglieder und andere Figuren werden zu den wilden Zeiten der 1970er aus heutiger Sicht befragt. Eine Oral History also, die am Ende mit einem unerwartetem Twist aufwartet. Ich mochte diesen mündlichen Stil sehr. Er hinterlässt zwar Informationslücken, aber brachte mir die Protagonist*innen unglaublich nahe. Ich war beim Lesen immer mittendrin in Streitigkeiten, auf Tournee oder in den Liebesbeziehungen – und der 70s-Vibe ist allgegenwärtig. Zudem mochte ich besonders die Figur der Keyboarderin Karen, weil sie sich stets gegen ihre männlichen Bandkollegen behauptet und für die damalige Zeit sehr feministisch unterwegs ist. In einigen Passagen ging es mir persönlich ein wenig zu detailliert ums Songwriting, aber für Musikliebhaber*innen sind diese Abschnitte bestimmt sehr interessant. 

Daisy Jones and The Six ist für mich Unterhaltung in Reinform, also eine klare Leseempfehlung. Jetzt muss ich nur noch die Serie gucken … [j]

Taylor Jenkins Reid: Daisy Jones and The Six | Aus dem Amerikanischen von Conny Lösch | Ullstein | 368 Seiten | erschienen im Juni 2020

Hannah Lühmann und Anna Geselle: Know your Enemy. Neue alte rechte Denker

Know your Enemy, Cover

Schon Rage against the Machine wussten, dass man seine Gegner ganz genau kennen muss, um wirksam gegen sie vorgehen zu können. Geht es bei ihnen vor allem um die Scheinheiligkeit des US-amerikanischen Systems, das den American Dream propagiert und gleichzeitig arme und nicht-weiße Menschen aktiv diskriminiert, schaut das aktuelle Maro Heft Know your Enemy auf die Vordenker der neuen (und alten) Rechten.

In kurzen und überaus pointierten Beiträgen fasst Hannah Lühmann das Denken von acht (natürlich) Männern zusammen, die in der aktuellen rechten Szene von Identitären über russische Imperialisten bis hin zu US-Tech-Libertären immer wieder herangezogen werden. Illustriert wird das Ganze kongenial von Anna Geselle, und die Ausstattung des kleinen Heftes ist mal wieder über jeden Zweifel erhaben und einfach ein Genuss.

Die Essays schildern das Denken von Leo Strauss, Carl Schmitt, Alexander Dugin, Julius Evola, Martin Heidegger, Armin Mohler, Alain de Benoist und Peter Thiel. Sie sind kurz und leicht verständlich, sodass hier niemand erst Philosophie studieren muss, um mitzukommen. Dabei fand ich besonders gut, dass die Essays die Texte gerade von Strauss, Schmitt und Heidegger in ihrer Vieldeutigkeit erfassen und nicht per se als rechtes Gedankengut brandmarken und verdammen. Hier wird genau aufgezeigt, welche Theorie besonders attraktiv für rechtes Denken sind und wie sich diese im Gesamtwerk einordnen. Absolut empfehlenswert und erhellend. [s]

Hannah Lühmann: Know your Enemy. Neue alte rechte Denker | Mit Originaldruckgraphiken und beiliegendem Plakat von Anna Geselle | Maro Heft #9 | 36 Seiten | 16 Euro | erschienen im März 2023

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Aufgewachsen im schönen Brandenburg lernte ich schon früh die ländliche Einöde lieben und verteufeln zugleich. Heute kehre ich immer wieder gern heim, wohne allerdings lieber in urbanen Räumen. Lesen geht ja zum Glück überall und bietet Ausflüge in diverse Welten. Hier schreibe ich über meine Lektüren.

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