Kurz angerissen // Teresa Präauer, Lisa Frischemeier, Karoline Therese Marth

Kurz angerissen, diesmal mit Oh Schimmi von Teresa Präauer, I See Vulvas Everywhere von Lisa Frischemeier und Dotterland von Karoline Therese Marth.

Teresa Präauer: Oh Schimmi

Oh, wie hatte ich mich auf die Lektüre dieses wunderschön gestalteten Buches gefreut – der Affe auf dem Cover von Oh Schimmi hat immerhin glänzende, goldene Grillz! Außerdem habe ich Teresa Präauer damals um 2016 herum des Öfteren aus ihrem dritten Roman live lesen hören und fand es – eigentlich wie immer, wenn ich sie live erlebe – wahnsinnig einnehmend. Wirklich niemand trägt meiner Meinung nach Texte so schön vor wie diese Autorin.

Umso ernüchterter war ich schließlich von der Lektüre des kompletten Romans, der eine Weiterentwicklung des Textes ist, den Teresa Präauer 2015 beim Bachmannwettbewerb in Klagenfurt vortrug. Dieser Bachmanntext ist immer noch Teil des Romans und für mich das stärkste Kapitel. Aber erst mal kurz zum Inhalt, der sich gar nicht so leicht zusammenfassen lässt: Wir stecken hier in dem jugendlich wirkenden Körper der Hauptfigur Schimmi, der anders ist als andere – ein Draufgänger, ein Rasender, ein supercooler Typ mit Grillz, für den es keine Grenzen zu geben scheint, dessen Fantasie sich immer wieder mit der Realität vermischt und der sich für seine Angebetete auch mal zum Affen macht.

Es bleibt offen, aber für mich hatte es den Anschein, dass Schimmi, der immer noch bei seiner Mutter lebt, aufgrund eines Reitunfalls in der Kindheit seither geistig beeinträchtigt ist. Und so sind wir ganz nah dabei, wenn Schimmi sich mal wieder seiner Mutter widersetzen will, von Größerem träumt und sein Umfeld nicht nur einmal zur Weißglut treibt.

Das alles wird in einer sehr kunstvollen und zugleich verspielten Sprache beschrieben. Die Autorin schöpft hier aus den Vollen, dieser Roman ist mehr Sprachkunstwerk als plotgetriebene Geschichte. Die Story war mir dabei zu belanglos, die Perspektive zu undurchsichtig und die Gedanken Schimmis oftmals zu sexistisch und diskriminierend, als dass es mich durchgängig überzeugen konnte. Schade, schade, aber wohl einfach nicht mein Buch. [j]

Teresa Präauer: Oh Schimmi | Wallstein Verlag | 204 Seiten | 19,90 Euro | erschienen im August 2016

Lisa Frischemeier: I See Vulvas Everywhere

Frischemeier, Vulvas, Cover

Als Jugendliche und – ich muss es zu meiner Schande gestehen – auch einige Zeit darüber hinaus habe ich mich stets kichernd gefreut, sobald ich ein Phallussymbol in freier Natur entdeckt habe: »Guck mal, sieht aus wie’n Pimmel!« Nun ja, einfacher Humor eben. Was mir zu der Zeit nie aufgefallen ist: Vulven habe ich eher selten gesehen …

Die Autorin und Comedian Lisa Frischemeier beweist mit ihrem Bildband I See Vulvas Everywhere in 80 Fotografien, dass dies keinesfalls an der Abwesenheit von Vulvasymbolen in unserem Alltag liegt, sondern vielmehr daran, wie wir sozialisiert sind. Die Vulva wird vielerorts immer noch als etwas Schambehaftetes (siehe Begriffe wie »Schamhaare«), als bloßes Gefäß für den Penis (siehe Begriffe wie »Scheide«) oder als einfach nicht vorhanden (siehe Abbildungen in Kinder- und Biologiebüchern) dargestellt. Dies führt dazu, dass wir gar keine Vorstellung davon haben, wie groß die Vulva eigentlich ist, welche Form die Klitoris im Ganzen hat oder wie individuell Vulvalippen ausgeprägt sein können.

Lisa Frischemeier klärt mit ihrem Buch auf humorvolle sowie künstlerische Weise über die Tabuisierung der Vulva auf, setzt all den Phallussymbolen um uns herum endlich Vulvenpendants entgegen und regt zur tiefergehenden Lektüre (bspw. mit Mithu M. Sanyals Kulturgeschichte Vulva) an. Ich werde ab jetzt auf jeden Fall mit offeneren Augen für all die Vulven um mich herum durch die Welt gehen. Viva la Vulva! [j]

Lisa Frischemeier: I See Vulvas Everywhere | Dumont | 112 Seiten | 18 Euro | erschienen im Juli 2023

Karoline Therese Marth: Dotterland

Kathlen muss schon früh lernen, dass es ihren warmen, gelben Sehnsuchtsort, das »Dotterland«, für sie nicht gibt. Ihre Kindheit ist geprägt von streitenden Eltern und schließlich einem abwesenden Vater. So richtig interessiert sich niemand für die kleine Kathlen und so schlittert Karoline Therese Marths Protagonistin in eine Jugend, die geprägt ist von Alkohol, Drogen und Partys. Freundschaften werden Kathlens Zufluchtsort, und eben immer wieder das wohlig-warme Dotterland in Gedanken.

Durch bruchstückhafte Textpassagen verfolgen wir das Leben der Hauptfigur von der Geburt bis zu ihrem 18. Geburtstag. Vor uns entfaltet sich eine klassische Coming-of-Age-Story, die lückenhaft, aber doch eindrücklich und stellenweise sehr finster erzählt wird. Marths Debütroman ist kunstvoll geschrieben, und es gibt immer wieder einzelne Sätze, die haften bleiben. Dennoch war mir der Stil alles in allem doch ein wenig zu konstruiert, zu kühl, zu tagebuchartig – Coming-of-Age-Ultras werden diesen Roman aber sicherlich trotzdem mögen. [j] *

Karoline Therese Marth: Dotterland | Droschl | 120 Seiten | 21 Euro | erschienen im August 2023


* Disclaimer: Ich arbeite bei Kirchner Kommunikation, die mir dieses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. Die Rezension spiegelt nur meine eigene Meinung wider und wurde weder beauftragt noch bezahlt.

Kategorie Blog, Kurz angerissen

Aufgewachsen im schönen Brandenburg lernte ich schon früh die ländliche Einöde lieben und verteufeln zugleich. Heute kehre ich immer wieder gern heim, wohne allerdings lieber in urbanen Räumen. Lesen geht ja zum Glück überall und bietet Ausflüge in diverse Welten. Hier schreibe ich über meine Lektüren.

2 Kommentare

  1. Du hast deine Meinung zu SCHIMMI vor mir in Worte gefasst und ich kann alles voll unterstreichen. Ich hab es noch immer nicht geachafft, das Video abzudrehen und bin total zwiegespalten. Irgendwie ein interessantes Buch, aber es zu lesen war übel 😅

    • Aber ich hab auch echt lange gebraucht für diese Rezension. Wirklich gar nicht mal soooo leicht, Worte für dieses Buch zu finden. Danke, dass du es mit mir zusammen gelesen hast. <3

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