Und sonst so? [Monatsrückblick April 2024]

Der April steht bei uns ganz im Zeichen des Urlaubs, der die zweite Hälfte komplett ausfüllt. Das heißt Sonne, Landleben, und nicht zuletzt auch entspanntes Lesen auf der Terrasse. Was sonst noch so los war im April, lest ihr hier.

Gelesen

JULIANE: Ist es der Urlaub? Ist es das Baby? Irgendwie komme ich momentan mehr zum Lesen als noch vor der Geburt. Es gibt aber auch einfach viel mehr Situationen, in denen ich nicht mit dem Handy neben dem Baby abhängen will, also greife ich zum Buch – eine schöne Nebenerscheinung der Mutterschaft. Ich habe im April tatsächlich vier Bücher gelesen. Kristin Höllers zweiter Roman, Leute von früher, konnte mich wie schon ihr Debüt nicht vollends überzeugen, ebenso ging es mir mit Bible Bad Ass von Edith Löhle. Dafür begeisterten mich die Lektüren von Wir kommen, herausgegeben vom Autor*innenkollektiv Liquid Center, sowie der neue Roman von Stefanie de Velasco – Das Gras auf unserer Seite –, deren gesamtes Œuvre ich nun kenne und durchweg mag.

STEFAN: Ich habe im April das sehr gute Sachbuch Die Sprache des Kapitalismus von Simon Sahner und Daniel Stähr gelesen. Es geht, wie der Titel schon vermuten lässt, darum, wie der Kapitalismus in unsere Sprache eingesunken ist und sich über diese immer tiefer in unserem Bewusstsein einnistet – bis keine Alternative mehr denkbar erscheint. Ein toller Denkanstoß.
Dann habe ich noch den Roman ruh von Şehnaz Dost gelesen, der von Alltagsrassismus, Familie und postmigrantischer Identität erzählt – aber auch von Liebe. Ein wirklich gutes Debüt, bei dem mir der eine Erzählstrang aber bedeutend besser gefiel als der andere.
Außerdem habe ich Da waren Tage von Luna Ali gelesen, ebenfalls ein Debütroman. Mit diesem hatte ich ein paar mehr Probleme, denn er behandelt die gleichen Themen wie ruh, kann dabei aber einen pädagogischen Touch nie ganz abschütteln, so als ob wirklich jeder Aspekt postmigrantischen Lebens in Deutschland abgearbeitet werden müsste. Dazu wird das sehr traditionelle Erzählkonzept noch durch unnötige visuelle Effekte »modernisiert« – nicht schlecht, aber auch nicht ganz überzeugend.
Ebenfalls nicht ganz überzeugen konnte mich Die Insel Sertralin von Marco Damaghani. Auch hier geht es um postmigrantisches Leben in Deutschland, allerdings steht eine Depression des Protagonisten mehr im Mittelpunkt. Sprachlich war das leider gar nicht meins, aber einzelne Aspekte des Romans fand ich doch gut. Genaueres folgt.
Der letzte Roman des April konnte mich dann aber nochmal auf ganzer Linie überzeugen: Die Möglichkeit von Glück von Anne Rabe. Absolut zurecht stand dieser Roman auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Auch hier: Mehr kommt später.

Gesehen

JULIANE: Schon ewig wollte ich den Film Lieber Thomas über das Leben des Schriftstellers Thomas Brasch sehen. Anfang des Monats war es endlich so weit, und das sogar im Kino, obwohl der Film von 2021 ist. Im Berliner Zoo Palast wurde er nochmal gezeigt, und er hat mir sehr gut gefallen. Mit wunderbaren Schauspieler*innen wie Jella Haase und Abrecht Schuch in den Hauptrollen bleibt es nicht bei einem schnöden Biopic, sondern nähert sich kunstvoll der streitbaren Figur Thomas Brasch an.

STEFAN: Ich habe mir im April die neue Netflix-Blogbuster-Serie Three Body Problem angeschaut und fand sie ziemlich cool. Die Sience-Fiction-Serie um eine drohende Invasion von Aliens auf der einen und auf ganz unterschiedliche Weisen hochbegabter Freund*innen auf der anderen Seite hat mich direkt in ihren Bann gezogen. Sie konnte den Drive zwar nicht ganz bis zum Schluss halten, war aber trotzdem sehr gute Unterhaltung. Die Bücher, auf denen sie basiert, kenne ich aber gar nicht, kann dazu also wenig sagen.
Außerdem haben wir unseren neuen Mubi-Account mit dem US-amerikanischen Film Shiva Baby eingeweiht. Das Kammerspiel auf einer jüdischen Trauerfeier hat mich an die Grenzen meiner Fremdscham-Fähigkeiten gebracht, aber in a good way. Eine sehr unterhaltende, aber auch gesellschaftskritische Posse.

Gehört

JULIANE: Ganz frisch habe ich gestern in einen soeben erschienenen Podcast vom MDR reingehört, den zudem meine Freundin Ann-Kathrin Canjé mitentwickelt hat. Diagnose: Unangepasst – Der Albtraum Tripperburg erzählt von den so genannten Tripperburgen in der DDR. In diese wurden Frauen zur Behandlung vermeintlicher Geschlechtskrankheiten eingewiesen, in Wahrheit aber wegen ihrer Rebellion gegen das System der DDR dort festgehalten. Sehr spannend erzählt, mit toller Musik und super recherchiert – für mich ein komplett neuer Aspekt der DDR-Geschichte.

STEFAN: Im Urlaub läuft bei uns im Auto nur eins (neben Google Maps): Radio Margherita. Da gibt es solo musica Italiana, also nur italienische Musik, und zwar in wirklich allen nur vorstellbaren Gefühlslagen. Das hat uns das Land musikalisch nochmal näher gebracht.

Gemacht

JULIANE: Mitte April habe ich zusammen mit meinen Freundinnen und Kolleginnen von Almost Publishing den Launch unseres ersten Buches, dem Debütroman Dümpeln von Pola Schneemelcher, in Berlin gefeiert. Das war einfach nur schön, viele bekannte und neue Gesichter waren da, und ich freue mich auf alles, was da noch so kommen mag.

STEFAN: Wie schon vielleicht ein oder zweimal angedeutet, ist die zweite Hälfte des Aprils ein Highlight: Urlaub auf Sizilien! In einem uralten Bauernhof in den hybläischen Bergen haben wir eine kleine Wohnung bezogen und erkunden von hier aus den näheren Umkreis. Wir sind sehr begeistert von Land, Leuten und Essen und wissen nun vor allem eins: Wir kommen wieder.

Filed under Blog, Mischmasch

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

Kommentar verfassen