Douglas Rushkoff: Survival of the Richest

Musk und mehr: Douglas Rushkoff erkundet in Survival of the Richest das Mindset der überreichen Tech-Milliardäre, die aus ihrer eigenen Domäne immer weiter auf die Politik übergreifen.

Douglas Rushkoff, Survival of the Richest, Cover

Douglas Rushkoff ist Medientheoretiker und Professor am Queens College in New York. Ein gefragter Mann ist er wegen seines Wissens um alles Digitale bei vielen Tech-Milliardären, denn er verknüpft dieses Wissen mit anderen Disziplinen wie Soziologie, Ökonomie und Psychologie. So wurde er einmal von einer Runde Milliardäre ausgefragt, wie sie sich beim Kollaps unserer derzeitigen Welt am besten sichern sollten – lieber eine einsame Insel oder doch ein riesiger Bunker? Und wie lässt sich das natürlich reichlich benötigte Personal so einschüchtern, dass es nicht aufbegehrt?

Die Anekdote zeugt von der Abgehobenheit der Milliardäre ebenso wie von ihrer eiskalten Berechnung, denn für andere Menschen als das unterbezahlte Personal und die Kernfamilie wird auf solchen Rettungsinseln, wie auch immer sie im Detail aussehen mögen, kein Platz sein. Survival of the Richest hat einige solcher entlarvender Episoden auf Lager, über die man die Augen rollt – in denen sich der Autor aber auch immer ziemlich gut darzustellen weiß. Das ist definitiv nicht die Stärke des Buchs. Größte Aktualität ist es leider auch nicht mehr, erschien das Original doch schon 2022, also Jahre bevor der aktuelle Irrsinn in den USA so richtig Fahrt aufgenommen hat.

Stark ist das Buch da, wo es das Mindset der Tech-Milliardäre darstellt, und wenn es den Weg beschreibt, den wir vom Internet als neuem, freien und grenzenlosen Spielplatz hin zum Plattformkapitalismus und der KI-generierten Werbe-Zumüllung des Internets heutiger Tage gegangen sind. In den einzelnen Essays greift sich Rushkoff immer wieder einen Aspekt heraus, manchmal ist es eine Anekdote, manchmal eine Beobachtung, von der er dann seinen Weg zum Kern des Mindsets geht und auf dem Weg die Geschichte des Internets miterzählt. Durch die Struktur für sich stehender Essays wird es dabei manchmal etwas repetitiv, was aber verschmerzbar ist.

So kreist Survival of the Richest die Welt der Tech-Milliardäre immer weiter ein. Es nimmt ihre Entfremdung von der Welt unter die Lupe, die durch praktisch unendliche Ressourcen kein Gefühl für Preise oder das Leben gewöhnlicher Menschen zulassen. Die Empathie ist ein Gut, das im Mindset nichts zählt, wie zuletzt Elon Musk noch einmal klargemacht hat. Wie soll man auch alles, was man anfasst, gnadenlos auf Profit trimmen, wenn man Mitleid mit den Menschen hätte, die die Konsequenzen tragen müssen? In einer Excel-Tabelle auf einem Laptop im 100qm-Büro, irgendwo weit ab von der Welt aller anderen Menschen, sind schließlich nur Zahlen zu sehen – wer soll da schon drauf kommen, dass dahinter Menschen stehen?

Dabei hat sich der Nutzen der Technologie, die sie reich gemacht hat, vom Mehrwert für die Allgemeinheit entfernt und sich dahin gedreht, Rabbitholes zu kreieren, die die User immer länger an sich binden wollen, um ihren Konsum immer weiter zu erhöhen. Dabei bewegen sich die Konzerne stetig nach oben, weiter auf die Meta-Ebenen, um immer größere und umfassendere Systeme bzw. Welten zu erschaffen, die gleichzeitig immer geschlossener werden. Die steigenden Gewinne nutzen sie dann zunehmend auch dazu, die Politik zu beeinflussen und auf eine immer stärkere Deregulierung des Tech-Bereichs hinzuwirken. Denn innerhalb strikter Grenzen kann man nicht unbegrenzt wachsen – logisch.

Survival of the Richest von Douglas Rushkoff ist ein schonungsloser Blick auf die Überreichen der Tech-Branche, die sich schon lange von den Normalsterblichen losgesagt haben und ganz eigene Pläne verfolgen. Sie selbst sind durch ihre mächtigen Instrumente und Monopol-Stellungen sowie ihren politischen Einfluss eine Gefahr. Ebenso gefährlich ist jedoch das Mindset, das sie verkörpern und das immer mehr Menschen – okay, vor allem Männer – adaptieren. Der Verlust von Empathie und Solidarität sind damit vorprogrammiert.

Douglas Rushkoff: Survival of the Richest. Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf dem Mars sicher sind | Suhrkamp | Aus dem Englischen von Stephan Gebauer | 281 Seiten | 22 Euro | Erschienen im Februar 2025

Kategorie Blog, Rezensionen, Sachbuch

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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