Kurz angerissen, diesmal mit Kranke Hunde von Ariane Koch, Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang von Olga Flor und Lady-Mücken von Jacinta Nandi.
Ariane Koch: Kranke Hunde

Krankheit ist immer noch ein Ausnahmezustand, eine Abweichung vom Normalen. Dabei gehen die Krankentage immer weiter hoch, immer mehr Menschen fühlen sich der Geschwindigkeit unserer Zeit nicht mehr gewachsen, der Geist verbarrikadiert sich, die Körper protestieren und gehorchen nicht mehr dem Diktat der Gesundheit und Fitness.
Ariane Koch schreibt in ihrem Stück Kranke Hunde über die Krankheit, und zwar in einem komplett überdrehten Setting. Poch, ein Windhund, wird im Hundekrankenhaus von Hundedoktoren behandelt, sein Gehirn koppelt sich immer weiter ab und geht in den Dialog mit Höllenkatz, einem mephistophelischen Teufel, der ihn zu sich holen will. Richtig schön grotesk, satirisch und voller literarischer Anspielungen, allerdings wünscht man sich beim Lesen eigentlich vor allem eine richtig absurde Aufführung herbei, die das Ganze noch auf die Spitze treibt.
Ganz nebenbei wollte ich das Stück aber auch lesen, um endlich mal die neue Suhrkamp Theater-Gestaltung selbst in der Hand zu haben. Die kleinen Bände sind sehr hochwertig ausgestattet, vor allem fällt der zweifarbige Farbschnitt sofort ins Auge. Auch typografisch ist das schick gemacht, also eine Empfehlung für Interessierte. Und Dramen liest man ja eh viel zu selten. [s]
Ariane Koch: Kranke Hunde | Suhrkamp Theater | 100 Seiten | 18 Euro | erschienen im September 2024
Olga Flor: Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang

Die Erde ist gekippt. Doch nicht wie ein See, in dem die Algen überhandgenommen haben, sondern buchstäblich: Sie hat sich auf der Achse gewendet, der Äquator hat sich nach oben gedreht, die Pole stehen quer. Damit hat sich alles verschoben: Die Jahreszeiten, die Tag- und Nachtzeiten, die Klimazonen, die Ozeane, und überhaupt die lebensfreundlichen Bereiche auf der Erde. In dieser Welt treffen wir Armanda, die Protagonistin von Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang von Olga Flor, die zu ihrer Tochter Nora reisen möchte. Nora schickt ihr immer wieder rätselhafte Nachrichten, aus denen Armanda einen ungefähren Aufenthaltsort ableitet.
Der wie der Titel schon sagt sehr kurze Roman wechselt zwischen erzählenden und erklärenden Kapiteln. In den einen wird Armandas Reise und die Personen, die sie trifft, in kurzen Episoden geschildert. Die anderen erklären die neue Welt in ebenso kurz gefassten Einsprengseln. Sie fassen zusammen, wie es zu der Drehung der Erde kam, welche Auswirkungen sie hatte, wie die Menschen damit umgehen und was sie unternehmen, um die Drehung wieder rückgängig zu machen.
Für mich findet Das kurze Buch dabei leider nie richtig zusammen, die erklärenden Kapitel stehen unverbunden neben den erzählenden, beide Seiten des Romans wollen auf dem kleinen Raum nicht richtig rund werden. Vielmehr wirkt das Buch wie eine ausformulierte Sammlung von Ideen, szenischen Skizzen und Beschreibungen eines Romans in einer postapokalyptischen Welt, die ihre Form jedoch noch nicht ganz gefunden haben. [s]
Olga Flor: Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang | Jung und Jung | 160 Seiten | 20 Euro | erschienen im Februar 2025
Jacinta Nandi: Lady-Mücken

Wie schlimm kann es laufen? Eben erst hat Nadia Jerry blockiert, kurz darauf bringt er sich um. Ist sie schuld? Hat er es tatsächlich getan, weil sie ihn blockiert hat? Aber sollte sie sein misogynes Verschwörungsgeschwafel wirklich weiter ertragen, einfach nur, weil er offensichtlich krank war, aber jede ernsthafte Hilfe ablehnte?
Nadias Gewissenskonflikt mischt sich in der kleinen Erzählung Lady-Mücken mit dem Besuch einer Freundin aus England, Kate. Aber ist sie wirklich da, um Nadia zu besuchen, oder will sie doch einfach nur ein paar Tage in Berlin verbringen, ohne für ein Hotel zu zahlen? So richtig Spaß hat Nadia nicht, und auch bei Kate sieht sie ihn nicht wirklich.
Jacinta Nandi verknüpft hier ihre Themen von deutsch-britischem Kulturclash und dem Leben als alleinerziehende Mutter in Berlin sowie dem großen Thema Freundschaft mit der Frage, wie man mit Menschen umgeht, die abdriften und jeden richtigen Kontakt zu ihnen unmöglich machen. Das alles kommt dabei leicht und flockig rüber, ebenso leicht und flockig, wie der entspannte Sommerferientag, an dem die Erzählung spielt. Atmosphärisch und witzig. [s]
Jacinta Nandi: Lady-Mücken | Das Gramm | 21 Seiten | 6 Euro | erschienen im November 2023