Kurz angerissen // Joshua Groß/Planetary Intimacies, Lucy Fricke, Viktor Fritzenkötter

Kurz angerissen, diesmal mit Einen Stein skippen von Joshua Groß und Planetary Intimacies, Das Fest von Lucy Fricke und Glitch von Viktor Fritzenkötter.

Joshua Groß/Planetary Intimacies: Einen Stein skippen

Was bedeutet es, einen Stein zu skippen? Es ist eine Tätigkeit, vielmehr ein Spiel, das jedem höheren Zweck entsagt. Es geht nur um die Tätigkeit an sich, nur sie selbst bleibt, wenn man sie ausübt. Sonst nichts. Um dieses lustvolle Nichts des zweckfreien Spiels kreist der fröhlich zwischen Lyrik und Prosa morphende Text Einen Stein skippen von Joshua Groß, der mit Wasserzeichnungen von Planetary Intimacies illustriert ist.

Ähnlich eines Essays geht er bei der sandbedeckten Landschaft Frankens los, um über Umwege beim Steineskippen zu landen, das plötzlich gleichbedeutend ist mit dem Schreiben, dem Lieben, ja dem Leben überhaupt. Ein schöner kleiner Text, der einen kurz in seinen Bann zieht, um einen dann wieder in die unermessliche Freiheit zu entlassen.

Das Bändchen habe ich übrigens bei einer denkwürdig wilden Verlosung auf einer Lesung zu Groß’ Roman Plasmatropfen gewonnen. Eine schöne kleine Bereicherung. [s]

Joshua Groß/Planetary Intimacies: Einen Stein skippen | Sukultur | 4 Euro | erschienen im Juli 2024

Lucy Fricke: Das Fest

50. Ausgeschrieben: Fünfzig. Es ist ein Geburtstag, dem man nicht entfliehen kann – wie auch sonst keinem, klar, aber hier ist eine Sache anders gegenüber etwa dem Vierzigsten, dem Dreißigsten: Hier ist klar, dass die Hälfte nun überschritten ist, der größte Teil des Lebens gelebt. Man ist plötzlich in dem Alter, in dem das Altern beginnt.

Auch Thomas, der Protagonist in Lucy Frickes Roman Das Fest, muss dieser Realität ins Auge schauen. Allerdings ist er eher der Typ, der wegschaut, woandershin, um das Offensichtliche nicht sehen zu müssen. Der sich zurückgezogen hat, warum, das weiß er auch nicht mehr so richtig. Natürlich hatte er es nie leicht, aber sein Leben hatte auch wirklich gute Phasen. Eigentlich will er die Vergangenheit ruhen lassen, wäre da nicht Ellen, seine einzige langjährige Freundin, die immer zu ihm steht. Dass an seinem fünfzigsten Geburtstag immer mehr Menschen aus seiner Vergangenheit wie aus dem Nichts vor ihm auftauchen, muss irgendetwas mit ihr zu tun haben.

Das Fest ist ein höchst passender Roman auf das Altern. Er ist entspannt und humorvoll, ohne aber je den billigen Witz zu suchen. Er nimmt uns mit Thomas mit auf eine kleine Reise in seine Vergangenheit, lässt uns anhand der Begegnungen mit alten Bekannten sein Leben erahnen und uns ein klein wenig daran teilhaben. Ein Lobgesang auf die Freundschaft, das Vergeben – und nicht zuletzt auch auf die Liebe. [s]

Lucy Fricke: Das Fest | Claassen | 144 Seiten | 20 Euro | erschienen im Oktober 2024

Disclaimer: Claassen gehört zu den Ullstein Buchverlagen, bei denen ich arbeite. Die Kurzrezension ausschließlich meine persönliche Meinung wider.

Viktor Fritzenkötter: Glitch

Fritzenkötter, Glitch, Cover

Der Glitch ist allgegenwärtig. Waren es früher noch vor allem Grafikfehler in Computerspielen, wird der Begriff heute viel breiter verstanden und auch angewendet. Das liegt natürlich daran, dass die digitale Welt unsere ansonsten so unglitchende analoge immer mehr überlagert und unterwandert, sodass Glitches auch in Kontexten auftreten können, die keinen genuinen Zugang zu Computerspielen oder anderen dezidierten Anwendungen erfordern. Denken wir z.B. an die per KI veränderte Werbung bei den letzten Fußballgroßereignissen oder riesige Werbebildschirme in Straßen und Kaufhäusern, die alle vor Fehlern nicht gefeit sind.

Gerade durch diese Allgegenwart ist der Glitch aber auch für die Kulturwissenschaften als Figur interessant, zerstört er doch durch sein Auftreten eine ansonsten perfekte Illusion und rückt das Technische der Darstellung damit aus der Unsichtbarkeit in den Vordergrund. Viktor Fritzenkötter fasst all diese Aspekte in seiner Digitalen Bildkultur kompakt zusammen und führt in den Forschungsstand zum Glitch ein – sowohl technisch als auch als interpretatorische Figur. Dabei fand ich vor allem auch die Exkurse zur Wortherkunft und der damit überraschenderweise ganz analogen Herkunft des Begriffs interessant. Eine runde Sache. [s]

Viktor Fritzenkötter: Glitch | Wagenbach | 80 Seiten | 12 Euro | Erschienen im März 2025

Kategorie Blog, Kurz angerissen

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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