Verena Güntner: Medulla

Bindung und Brüche: In Medulla lässt Verena Güntner drei sehr unterschiedliche Beziehungen an einer Schwangerschaft zerbrechen. Für mich bleibt am Ende aber die Frage, was mir das alles sagen will.

Verena Güntner, Medulla, Cover

Ein großer und bunt gemischter Berliner Freundes-, Bekannten und Kolleg*innenkreis steht im Mittelpunkt von Medulla. Der neue Roman von Verena Güntner nimmt dabei drei ganz ungleiche Paare aus diesem Kreis in den Fokus. Alle drei teilen jedoch ein paar Gemeinsamkeiten, allen voran diese: Die Frau wird schwanger und die Beziehung wird diese Schwangerschaft nicht überstehen.

Der Roman versammelt ein sehr unterschiedliches Ensemble an Figuren, die aber alle mehr oder weniger in der gleichen, gehobenen Mittelschicht zuhause sind. Ein berufsjugendlicher Restaurantleiter mit Alkoholproblem in offener Beziehung mit der betont sexpositiven, bisexuellen Partnerin, eine Karrierefrau, die auch zu Hause ihren Mann herumscheucht, der sich wiederum in eine Fantasiewelt flüchtet, und ein Start-up-Geschäftsführer, dem alles entglitten ist, sowohl die Firma als auch die Beziehung zu seiner eher zurückgezogenen Frau.

Das klingt sehr klischeehaft, und aufgrund der recht wenigen Seiten, die jedes Paar im Roman bekommt, bleibt es für mich auch so. Man fliegt durch die, davon abgesehen, wirklich gut geschriebenen Geschichten und merkt erst am Ende, dass hier irgendwie alles Oberfläche bleibt und nur Klischees aneinandergereiht werden.

Am Ende bleiben drei starke Frauen, die ihre eigenen Entscheidungen über die Schwangerschaften und ihre Körper treffen, und drei schwache Männer, die nicht zu erwachsenen Entscheidungen in der Lage sind. Das könnte emanzipatorisch und feministisch sein, ist es für mich aufgrund der unterkomplexen Darstellung aber nur mit deutlichen Abstrichen. Schade, den Vorgänger Power habe ich sehr gemocht.

Verena Güntner: Medulla | DuMont | 240 Seiten | 24 Euro | Erschienen im September 2025

Kategorie Blog, Rezensionen

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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