Wenn in Deutschland ein Mensch stirbt, wird er in den meisten Fällen auf einem Friedhof begraben, wahlweise im Sarg oder eingeäschert in einer Urne. Getrauert wird individuell. Aber wie ist das eigentlich in anderen Gebieten dieser Welt, gerade auch in nicht christlich geprägten Ländern? Theresa Schwietzer hat sich in ihrem Buch Ein Blick auf die andere Seite (Edition Büchergilde) mit genau dieser Frage auseinandergesetzt und spannende Antworten gefunden.
Zweieinhalb Jahre ist es nun schon her, dass ich für drei Wochen durch den Südosten Indiens gereist bin. Neben Island war dies eine meiner schönsten Reisen überhaupt. Ich liebe die indische Kultur, den Trubel und dass alles so komplett anders ist als in meiner sonstigen Komfortzone. Nur mit dem scharfen Essen konnte ich mich bisher eher nicht anfreunden.
Ich habe mir fest vorgenommen, mindestens noch einmal nach Indien und dann am liebsten in den Norden zu reisen. Von den Leichenverbrennungen am Ganges in Varanasi habe ich schon vieles gehört. Dass Leichen dort öffentlich verbrannt werden, ließ mich bisher immer schaudern. Dennoch möchte ich diesen Ort gern entdecken und mehr über die religiösen Hintergründe dieses heiligen Ortes erfahren.
Umso mehr habe ich mich über Theresa Schwietzers Buch Ein Blick auf die andere Seite gefreut. Die Autorin und Illustratorin gibt im ersten Kapitel einen Überblick über den Kreislauf der Wiedergeburt, der ein zentraler Teil des hinduistischen Glaubens ist. Hierzu gehört auch die heilige Verbrennung der Toten am Fluss Ganges, welcher die Personifizierung der Göttin Ganga darstellt.
Ganga verkörpert die Reinheit und man soll sich mit ihrem Wasser reinwaschen. Auch die Toten werden in ihrem Wasser gebadet oder zumindest eingetaucht, bevor sie an ihrem Ufer verbrannt werden, um danach als Asche wieder in den Fluss zu gelangen.
In den nächsten zwei Kapiteln geht es dann um die Jenseitsvorstellungen in Ecuador, wo der Glaube an Geister eine wichtige Rolle spielt, und um den Totenkult in Haiti, wo wir es mit Zombies und dem Voodooglauben zu tun bekommen. All diese Wesen oder Praktiken scheinen wir aus Filmen oder Erzählungen zu kennen. Aber Schwietzer macht sehr deutlich, dass wir über den Ursprung dieser Begriffe und die dazugehörigen Praktiken in den Herkunftsländern eigentlich nur wenig wissen. Ein Blick auf die andere Seite wird so auch zu einem Aufklärungsbuch.
In ganz besonderem Maße hat mich das letzte Kapitel, in dem es um Zentral- und Südafrika geht, beeindruckt. Hier glauben viele Menschen an Geister, sogenannte Ahnengeister. Um zu verhindern, dass der oder die Tote als Geist in das eigene Haus zurückkehrt, werden interessante Vorkehrungen getroffen.
Hier ist es Brauch, die Körperöffnungen mit kleinen Kieseln zu versperren, denn der Geist des Menschen hat beim Tod den Körper verlassen – so soll er daran gehindert werden, wieder in den Körper zurück zu gelangen.
Neben all der Informationen, die die Autorin uns an die Hand gibt, ist das Besondere an diesem Buch wohl seine Gestaltung. Die kleinen Sachbuchtexte wurden von Schwietzer liebevoll ergänzt durch Holzschnitte und Buntstiftzeichnungen, die zumeist in nicht mehr als drei Farben gehalten sind. So wird Ein Blick auf die andere Seite nicht nur zu einem sehr informativen, sondern auch zu einem sehr schönen Buch, in dem es in den Illustrationen ebenfalls viel zu entdecken gibt.
Ein Blick auf die andere Seite ist ein modernes und vor allem wunderschön gestaltetes Buch, das den Blick weitet und uns über unseren alltäglichen Tellerrand hinausschauen lässt.
Theresa Schwietzer
Ein Blick auf die andere Seite
Edition Büchergilde
120 Seiten | 20,00 €
Erschienen am 12. September 2017
[…] Eine weitere Besprechung findet sich bei Poesierausch. […]
Wirklich wunderschön gestaltet! Und den Norden von Indien erkunden wir natürlich gemeinsam 😉
Unbedingt sogar! :-*