David Diop: Nachts ist unser Blut schwarz

Das Grauen des Krieges kennt unendlich viele Fratzen. David Diop lässt in Nachts ist unser Blut schwarz (Aufbau) einen »Senegalschützen« Bekenntnis ablegen. Ein überaus blutiges Bekenntnis, wie schon die roten Sprenkel auf dem Cover erahnen lassen.

David Diop: Nachts ist unser Blut schwarz

Erst 1964 wurde das letzte Regiment der sogenannten »Senegalschützen« aufgelöst. Afrikanische Soldaten, die für Frankreich in den Krieg zogen, gab es über hundert Jahre lang. David Diop wendet sich in Nachts ist unser Blut schwarz dem Ersten Weltkrieg zu. Er lässt den Soldaten Alfa Ndiaye aus einem späteren Zeitpunkt über seine Erlebnisse im Krieg erzählen, lässt ihn bekennen.

Nun hat das Bekenntnis ja eine dezidiert christliche Tradition, geht vor allem auf die Bekenntnisse des Augustinus zurück, die Confessiones. Auch Alfa Ndiaye erhofft sich Erleichterung, Vergebung von seinen Bekenntnissen, auch er ist sich sicher, gesündigt zu haben, will berichten, ja beichten. Und kämpft in dieser Beichte durchaus noch mit den Dämonen, die der Krieg für ein ihm fremdes Land, dessen Sprache er noch nicht einmal versteht, in ihm geweckt hat. Doch er hat mittlerweile eine gute Idee davon, in welches Spiel er hineingeworfen wurde:

Das Frankreich des Hauptmanns braucht uns als Wilde, weil die Feinde Angst vor unserer Machete haben. Ich weiß das, ich habe verstanden, schwieriger ist es nicht. Das Frankreich des Hauptmanns braucht unsere Wildheit, und wir in unserem Gehorsam, ich und die anderen, wir geben die Wilden. Wir hacken ins feindliche Fleisch, verstümmeln, enthaupten und schlitzen aus. […] Sie verstellen sich nur, wenn sie aus der Erde gesprungen kommen, und ich verstelle mich nur, wenn ich mit ihnen zusammen im schützenden Graben bin. Unter uns, mein Lachen und mein Gesang waren falsch, aber sie respektierten mich.

Die Selbstvergewisserung ist ein großes Moment in Diops Roman, man liest geschätzte einhundert mal die Worte »ich weiß, ich habe verstanden« von Ndiaye. Und viel verstanden hat er auch, doch die Verarbeitung scheint immer noch voranzuschreiten. Denn ihm hat nicht einfach nur der Krieg zugesetzt. Er sah seinen besten Freund sterben und macht sich dafür verantwortlich, woraufhin er zur Wiedergutmachung zum wildesten Schlächter seiner Kompanie wird, vor dem selbst seine Mitstreiter Angst haben.

In blutiger Genauigkeit schildert Ndiaye seinen Kampf gegen die eigenen Dämonen wie auch gegen die Feinde auf dem Schlachtfeld, wobei beide immer wieder ineinander übergehen. Der Roman veranschaulicht sehr gut, wie der Krieg die Menschlichkeit selbst aus dem besten Charakter heraustreiben kann, wenn traumatische Erlebnisse eintreten. Auch im Moment des Bekennens, das der Roman aufzeichnet, ist Ndiaye noch weit weg davon, zur Ruhe zu kommen.

Inhaltlich mochte ich den Roman sehr, seine kompromisslose Brutalität, den historisch interessanten Blick auf die »Senegalschützen«, die Einsichten Ndiayes in seinen kolonialen Missbrauch. Sprachlich hat mich Nachts ist unser Blut schwarz aber an die Grenzen gebracht. Die ständigen Wiederholungen liegen mir absolut nicht, ich hätte das Buch teilweise an die Wand werfen können. Man muss diesen spezifischen, durch Wiederholungen rhythmisierten Sound schon mögen, denke ich. Meins ist es nicht.

Auch die Benutzung vieler rassistischer Termini, die mir saurer aufgestoßen sind als das viele vergossene Blut, haben mich geärgert, auch wenn die Benutzung im Kontext von Ndiayes Bekenntnis gerechtfertigt ist. Er wiederholt nur, womit er immer wieder konfrontiert ist, was seine Realität geprägt hat, ohne den Sinn, den wir heute aus den Begriffen herauslesen, zu sehen.

Nachts ist unser Blut schwarz hat mich herausgefordert. Blut, Krieg und Wahnsinn bestimmen das Bekenntnis des Protagonisten, Wiederholungen und rassistische Wendungen seine Sprache. Ich bin zwischen Inhalt und Form hin und her gerissen, möchte die Lektüre aber auch nicht mehr missen.

David Diop: Nachts ist unser Blut schwarz

David Diop

Nachts ist unser Blut schwarz

Aufbau

160 Seiten | 18 Euro

Erschienen im September 2019

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Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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