Ein Toter vor dem Dorfbordell und die ewigen Wirren der Pubertät: Horst Evers lässt in Es hätte alles so schön sein können (Rowohlt Berlin) einen Jugendlichen in einen irren Plot um Rocker und Drogen rutschen. Klingt komisch, ist es aber gar nicht mal so.
Ich möchte mal so einsteigen: Comedy finde ich einfach nur schlimm. Natürlich weiß ich, dass Comedy nicht nur aus Vorurteilsschleudern wie Mario Barth und Dieter Nuhr besteht, sondern auch durchaus diffiziler sein kann. Ja, gut, ich finde es trotzdem schlimm. Dieses Heischen nach jedem noch so kleinen Lacher – nee, da bin ich raus. Für mich gab es nach RTL Samstag Nacht kein Format mehr, das mich groß zum Lachen gebracht hätte. Was aber vielleicht auch damit zu tun hatte, dass mich deren bescheuerter Anti-Humor in der Pubertät noch am meisten beeindrucken konnte. Immerhin hält Helge Schneider hier noch die Fahnen hoch.
Eine Ausnahme bildet Horst Evers, vielleicht mit Max Goldt, die ich aber nie zum Genre Comedy zählen würde. Evers ist ein Geschichtenerzähler, und dass diese Geschichten oft komisch sind, basiert nicht auf einem Herumreiten auf Vorurteilen und Klischees, sondern auf genauer Selbstbeobachtung und einer pointierten Erzählweise. Und die Komik stellt sich erst ganz langsam und schleichend ein, nicht so sehr mit dem Vorschlaghammer.
Es hätte alles so schön sein können ist kein in erster Linie lustiger oder lustig gemeinter Roman, trotz des typisch lethargisch-ironischen Evers-Titels, aus dem man seinen prägnanten Duktus gleich raushört. Und das ist erstmal gut, denn lustigen Büchern fehlt es leider – wie der Comedy – viel zu oft an Tiefgang, und dann dümpelt es eben so dahin, von Lacher zu Lacher zum Ende, ohne dass groß was hängenbleibt.
Horst Evers erzählt eine verrückte Geschichte aus der niedersächsischen Provinz, in der ein toter Rocker aus einem Bordell fällt, was ein pubertierender Jugendlicher beobachtet. Daraus entspinnt sich eine Posse, in der sich skurrile Charaktere die Klinke in die Hand geben und sich immer wieder in unmöglichen Situationen wiederfinden. Sprachaffine Rocker, hilfsbereite Wildschweine, eine attraktive Studentin, die dem pubertierenden Erzähler die Hirnwindungen verdreht – alles dabei.
Es stand für mich außer Frage, dass diese junge Frau unschuldig war. Und wenn sie doch schuldig wäre, dann sicher aus gutem Grund. Bestimmt wäre es keine Schuld, die man nicht verzeihen könnte. Denn ich würde ihr alles vergeben. Also höchstwahrscheinlich. In jedem Falle war es eine blanke Selbstverständlichkeit für mich, alles zu tun, was notwendig sein würde, um ihr zu helfen. Mehr musste ich erst mal nicht wissen.
Es ist aber auch alles ein bisschen viel. Nicht nur für den Erzähler, in dessen pubertätsbedingt durchweg überhitzten Gedankengängen wir der Geschichte folgen, sondern auch die Geschichte selbst. Sie ist ein durchgängiges »Ich setz’ noch einen drauf!«, ein buchgewordener Nachmittag mit Fips Asmussen. Naja, ganz so schlimm ist es dann doch nicht, aber der Geschichte fehlt es deutlich an Substanz und Tiefgang. Dieses Loch wird mit vielen unmotivierten Zufällen und das Zeitgeschehen kommentierenden Figuren ausgefüllt. Das ist immer mal wieder ganz nett, hilft dem Buch selbst aber nicht weiter.
Der begnadete Erzähler Horst Evers legt mit Es hätte alles so schön sein können einen überraschend schwachen Roman ohne wirkliche Substanz vor. Ihm fehlt es an Tiefgang, an Plausibilität, und nicht zuletzt auch an einem Erzähler, der mehr vermitteln kann als die Wirren der Pubertät. Es hätte alles einfach noch deutlich schöner sein können. Was den Roman retten könnte: Ein vom Autor selbst gelesenes Hörbuch. Das könnte ich mir noch vorstellen. Aber so war es leider eine kleine Enttäuschung.
Horst Evers
Es hätte alles so schön sein können
Rowohlt Berlin
272 Seiten | 20 Euro (HC), 10 Euro (TB)
Erschienen am 6.11.2018