Nationale Chauvinisten, Neonazis, Verschwörungsgläubige – Rechte sind auf dem Vormarsch. Was jede*r von uns wohl irgendwie fühlt, untersucht Matthias Quent in Deutschland rechts außen (Piper/bpb) genauso akribisch wie lesbar. Eine erschreckende Studie über rechtes Gedankengut und die großen Akteure der Szene in Deutschland.
Heute wird gerne über eine neue Qualität des Rechtsradikalismus gesprochen, eine neue Sichtbarkeit, eine Verbreitung, die es so nie gegeben habe. Matthias Quent nimmt Statements wie diese zum Ausgangspunkt seiner Studie Deutschland rechts außen, um darzulegen, wie sich der Rechtsradikalismus in Deutschland entwickelt hat, wie sich die derzeitige Lage darstellt und wie sie sich bis heute entwickelt hat. Er gibt damit ein sehr umfassendes Bild, das ich so noch in keinem Buch gesammelt gefunden habe.
Quent geht es dabei vor allem um die Frage, inwieweit das Parteienspektrum und die Wahlergebnisse die Einstellungen in der Bevölkerung reflektieren. Momentan ist die AfD die mit Abstand erfolgreichste rechte Partei in Deutschland. Natürlich geht es also zu großen Teilen in Deutschland rechts außen um die AfD, die Quent ohne Umschweife als rechtsradikale Partei benennt. Zwar gibt es auch in ihr noch das witschaftsliberale, europaskeptische Lager, für das Bernd Lucke am Anfang in der Partei stand. Doch spätestens seit seinem Abschied von der Partei spielt es keine Rolle mehr, und die politische Bedeutungslosigkeit seiner neuen Partei gibt wenig Raum für die These, dass diese Richtung jemals eine tragende Säule in der Wählerstruktur der AfD gewesen ist.
Doch sind alle AfD-Wähler*innen auch rechtsradikal? Die Partei geriert sich als Protestpartei, genau wie Trump in den USA inszeniert sie sich als Gegenentwurf zum politischen Establishment, zu den Berufspolitikern, denen »das Volk« egal sei und die lediglich für ihre eigenen Vorteile Politik weit ab von den Bedürfnissen der normalen Menschen machten. Dieser Zug ist allen rechtspopulistischen Parteien weltweit gemein, gerade durch diese Position bekommen sie Zugriff auf ansonsten eher nicht wählende Bevölkerungsschichten. Auch dadurch sind sie in der Lage, eine Politik zu vertreten, die eigentlich weit ab von den Bedürfnissen ebendieser Schichten ist, und trotzdem von ihnen gewählt zu werden.
Denn die Politik steht nicht im Vordergrund, sondern der Protest. Quent stellt diese wie auch andere Strategien der Rechten sehr gut dar. Es ist die politisch gesehen inhaltslose Gegenposition, die meist zieht. Dazu kommt eine Täter-Opfer-Umkehr, die gerade rechte Gewalt verharmlost, während sie etwa islamistischen Terror zu einem Symptom liberaler Politik macht, gegen das sich »das Volk« mit Hilfe der Rechten endlich auflehnen solle. Eine apokalyptische Rhetorik, die sich mindestens seit den Tagen der Weimarer Republik in der Rechten findet, unterstützt dies noch zusätzlich. Gerade im Moment ist dies in Form zahlreicher Verschwörungsmythen wie etwa QAnon aus den USA besonders sichtbar.
Um nun die Frage, ob alle AfD-Wähler*innen rechtsradikal sind, zu beantworten, gleicht Quent die Wahlergebnisse der Partei penibel mit verschiedensten Studien zu politischen Einstellungen ab. Es zeigt sich, dass sich die Anteile von eher völkisch-national eingestellten Menschen in Deutschland mit den Wahlergebnissen der AfD recht gut decken. Natürlich ist dies noch nicht mit Rechtsradikalität gleichzusetzen, und doch ist unverkennbar, dass ein großer Teil der Bevölkerung Deutschlands zumindest teilweise mit den von der AfD vertretenen Positionen übereinstimmt und nicht lediglich aus Protest gegen die alten Volksparteien rechtsradikal wählt.
Die radikale Rechte mobilisiert menschenfeindlich Einstellungen und Ressentiments, die schon immer latent in der Gesellschaft verbreitet waren. Weil beispielsweise rassistische Ressentiments häufig unbewusst sind und zu unserer Kulturgeschichte gehören, ruft die Kritik daran starke Ablehnung hervor: »Ich bin kein Rassist, aber …«, »Ich lasse mich nicht in die rechte Ecke stellen« usw.
Aber Quent setzt auch dies wieder ins Verhältnis, denn auch wenn die rechten Einstellungen sich momentan sehr klar im Parteienspektrum abbilden und damit ein seit vielen Jahrzehnten so nicht mehr gesehenes Bild abgeben, ist die Lage alles andere als hoffnungslos. Denn die vermeintliche Stärke der Rechten ist zugleich auch ein Zeichen für die Stärke der sozialen Demokratie:
Das demokratische Gleichheitsversprechen war und ist nicht eingelöst, aber wir kommen dem egalitären Ideal langsam näher. Wenn man sich daran gewöhnt hat, von der Benachteiligung anderer zu profitieren, weckt wachsende Gleichberechtigung das versteckt Ressentiment. Weniger als je zuvor wird heute als legitim erachtet, Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder ihres Geschlechts ungleich zu behandeln. Es gibt heute nicht mehr Rassismus und Sexismus, sondern weniger als je zuvor. Mit der wachsenden Gleichberechtigung nimmt auch die Sensibilität für Diskriminierungen zu. Die Reaktionären wähnen sich von diesen Veränderungen in die Enge getrieben und schlagen zurück.
Der Dualismus von Stärke und Schwäche der Rechten in Deutschland ist Hoffnung und Gefahr zugleich, denn er treibt eine stärkere Radikalisierung an, die mit der Liberalisierung der Mehrheitsgesellschaft Schritt zu halten versucht. Matthias Quent macht diesen Dualismus immer wieder unmissverständlich klar und illustriert ihn an vielen Beispielen. Ein unverzichtbares Buch, das beim Lesen stellenweise das Blut in den Adern gefrieren lässt, aber auch Hoffnung macht. Diese Balance zeichnet es ganz besonders aus. Die Situation ist alarmierend, Panik ist aber unangebracht.
Matthias Quent
Deutschland rechts außen. Wie die Rechten nach der Macht greifen und wie wir sie stoppen können
Piper / bpb
302 Seiten | 18 Euro / 4,50 Euro
Erschienen am 5.8.2019