Ein stiller Dauerbrenner im Sachbuchregal, eine tolle Neuentdeckung für mich: Die Fröhliche Wissenschaft bei Matthes & Seitz bringt kleine philosophische Texte zu großen Themen. Zugänglich und in schönem Gewand. Ich habe mir mal drei aktuellere Bände vorgenommen.
Wie könnte man sie übersehen, die schmalen, hohen Bände mit der ebenso einfachen wie genialen Covergestaltung, die den Titel über die gesamte Fläche der Klappenbroschur verteilt und damit eine grafische Anmutung erreicht? Auch thematisch kommen hier immer wieder aktuelle Philosoph*innen oder Wissenschafter*innen zum Zug. Auf kleinem Raum werden große Themen verhandelt, die sich im weitesten Sinne auf Nietzsches Fröhliche Wissenschaft beziehen. Etwas mehr als Aphorismen steckt aber natürlich in den kleinen Büchern, meist sind es Essays oder kleine Übersichtsarbeiten zu aktuellen Themen.
Da sie nun so lange völlig zu Unrecht an mir vorbeigegangen sind, habe ich mir nun endlich einmal drei relativ aktuelle Bände herausgesucht. Der Missstand muss einfach beseitigt werden. Dabei habe ich mich grob von Themen leiten lassen, die mich gerade auch interessieren: Philosophie, Marxismus, Literaturtheorie. Irgendwie ist das alles ja auch verbunden, daher vielleicht ein gutes Gespann.
Literaturtheorie nach 2001
Back to the roots! Der Übersichtsband zu aktuellen Literaturtheorien bringt mich ein wenig zurück zum Studium und der (nie abgeschlossenen) Promotion. Es hat zwar ziemlich gedauert, aber im Laufe der Studienjahre habe ich doch eine ziemlich innige Liebe zur Theorie entwickelt. Allemal Grund genug, zu sehen, was sich so in den letzten 20 Jahren getan hat.
Der Band gliedert die Theorien nach ihren thematischen Schwerpunkten auf, was zunächst ungewöhnlich erscheint, aber durchaus Sinn ergibt. Denn tatsächlich ist es eine Hauptbeobachtung, dass neuere Theorieentwicklungen weniger bei einer neuen Definition der Literatur an sich ansetzen, um ihre Interpretation darauf zu fußen, sondern vielmehr die Literatur als einen gegebenen Erkenntnisgegenstand benutzen, um an dieser Theorien zu verifizieren. Schade für die Literatur, denn das Literarische kommt dabei oft zu kurz. Nichtsdestotrotz ein erhellender Einblick, der Lust auf mehr macht, in seiner Kürze manchmal aber auch ein wenig zu knapp daherkommt. Aber das liegt hier wohl in der Natur der Sache.
Literaturtheorie nach 2001 | Herausgegeben von Marcel Lepper | Band 163 | 132 Seiten | 12 Euro | Erschienen 2020
Luise Meier: MRX Maschine
Alles andere als ein knapper Überblick ist der Essay MRX Maschine von Luise Meier. Die Autorin dreht in diesem kleinen, aber mit Inhalt randvoll bepackten Buch unerbittlich an der Marxschen Theorie-Praxis-Schraube. Entscheidend für eine schnelle Einordnung ist dabei das fehlende A in der MRX Maschine, das zwar aktuelle Codes wie »FCK NZS« zitiert, gleichzeitig aber auf die Lücke zwischen dem klassischen Marxismus und der MRX Maschine hindeutet, genauso wie es deren Unfertigkeit mitträgt. Denn MRX Maschine ist keine fertige Theorie, sondern beschreibt vielmehr eine Praxis der Störung.
Das ist gewissermaßen ihr Kern: Die Störung des Etablierten soll zu dessen Umsturz führen. Es ist die Praxis einer Verweigerungsrevolution, einer Revolution, die Lohnarbeit verweigert bzw. sabotiert, um an den Grundfesten der Gesellschaft zu rütteln. Dabei nimmt sie ihre Kraft aus den aktuellen Antidiskriminierungsdiskursen, vor deren Dekonstruktion sie aber auch nicht zurückschreckt. Denn überall, wo sich Macht versteckt, begehrt MRX Maschine auf. Ein aufrüttelnder wie provozierender und inspirierender Text, den wirklich jede*r lesen sollte. WRKLCH!
Luise Meier: MRX Maschine | Band 127 | 208 Seiten | 14 Euro | Erschienen 2018
Alain Badiou & Jean-Luc Nancy: Deutsche Philosophie. Ein Dialog
Was ist das für eine Verquickung: Alain Badiou und Jean-Luc Nancy, zwei der wohl bedeutendsten noch lebenden Philosophen aus Frankreich, unterhalten sich über deutsche Philosophie. Genauer gesagt über Kant, Hegel, Heidegger und Adorno. Natürlich auch über Marx, der immer wieder gestriffen wird. Aber hier vermutete Moderator Jan Völker wohl zu viel Potenzial zum Ausfransen, als dass es sich gelohnt hätte, weiter einzusteigen. Denn Badiou ist wohl neben Slavoj Žižek einer der bekanntesten zeitgenössischen Marxisten, Nancy steht dagegen eher in der Tradition der Dekonstruktion von Heidegger und Derrida, die Hegel näher sind als Marx.
Der sich entspinnende Dialog ist dann aber in jedem Fall ebenso leb- wie sprunghaft und lässt beiden ordentlich Raum, ihre Lesarten der Philosophen zumindest grob darzulegen. Allerdings muss ich hier dem Klappentext ein wenig widersprechen, dass sich der Band auch sehr gut als Einleitung in die deutsche Philosophie eigne: Ich fand ihn doch sehr voraussetzungsreich und bin an sehr vielen Stellen nicht hinterhergekommen. Das hat meinen Spaß am Lesen nicht zu sehr geschmälert, ist aber auch nicht wegzureden. Sehr interessant für Fortgeschrittene, würde ich also sagen.
Alain Badiou & Jean-Luc Nancy: Deutsche Philosophie. Ein Dialog | Übersetzt von Jan Völker | Band 100 | 110 Seiten | 10 Euro | Erschienen 2017
[…] Dieser Beitrag erschien zuerst auf Poesierausch. […]