Kurz angerissen // Pankaj Mishra, Katharina Korbach, Leon Engler

Neue Kurzrezensionen mit Freundliche Fanatiker von Pankaj Mishra, Sperling von Katharina Korbach und Die Aussicht von Leon Engler.

Pankaj Mishra: Freundliche Fanatiker. Essays

Pankaj Mishra ist bekannt dafür, die politischen Ereignisse stets eng zu verfolgen und mit einem Blick zu konfrontieren, der den westlich zentrierten »Standard« ins Wanken bringt. Der Band Freundliche Fanatiker sammelt Essays aus den Jahren 2011 bis 2020 und überblickt damit die nähere bis nächste Vergangenheit. Die Themen sind mal breiter mal enger. Oft geht es um einzelne Personen wie Salman Rushdie, Woodrow Wilson oder – oft – britische Konservative wie Niall Ferguson. Manche Essays haben jedoch breiter angelegte Themen, die immer am kolonialen Erbe der Welt aufgehängt sind und die Ideologien von Neoliberalismus, Kapitalismus und Konservatismus damit konfrontiert.

Die Stärke von Mishras Essays liegt gerade in dieser für westliche Leser*innen oft ungewöhnlichen Perspektive. Den westlichen Reichtum und das daraus erwachsene Selbstverständnis der imperialen Vormachtstellung, das auch heute noch in vielen Köpfen fest verankert ist, konfrontiert er sicher mit einer Genese aus Imperialismus und Sklaverei, die sich von ihren ursprünglichen Formen stetig weiterentwickelt haben und nie aus dem internationalen Gefüge verschwunden sind. Ein starker Band, aus dem man ruhig auch nur hier und da mal einen Essay lesen kann. [s]

Pankaj Mishra: Freundliche Fanatiker. Essays | Aus dem Englischen von Sandra Su Bischoff und Michael Bischoff | S. Fischer | 304 Seiten | 24 Euro

Katharina Korbach: Sperling

Berlin. Eine Studentin, die mit ihrer Essstörung, psychischen Problemen und ihrer Vergangenheit ringt. Ihr Hochschuldozent, der zu Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit promoviert, neu in der Stadt ist und sich irgendwie nicht so ganz zurechtfindet in seinem Leben. Ihre Wege kreuzen sich, nicht nur in der Uni, sondern auch im Privaten – Charlotte und Wolfgang wohnen zufällig im selben Haus. Zunächst beobachtet er sie heimlich, entwickelt stalkerähnliche Verhaltensweisen. Doch schon bald entwickelt sich zwischen den beiden eine zarte, beidseitige Verbundenheit, die zeigt, dass bei all der Anonymität in der Großstadt Menschen sich doch begegnen und verbinden können. Dass wir mehr gemeinsam haben, als wir manchmal auf den ersten Blick zu wissen glauben.

Sperling von Katharina Korbach ist ein gelungenes, unaufgeregtes Debüt, das vor allem Großstädter*innen und Berlinromanfans gefallen dürfte. Es spiegelt dieses diffuse Gefühl zwischen Großstadtliebe und -hass sehr nachvollziehbar wider, kommt dabei ganz ohne Pathos aus und überzeugt stattdessen mit einer klaren, schnörkellosen Sprache. [j]

Katharina Korbach: Sperling | Berlin Verlag | 320 Seiten | 22 Euro

Leon Engler: Die Aussicht

Die Aussicht ist ja immer wichtig. In einem Hotel am See zahlt man gleich mal ’ne Ecke mehr, wenn man den See auch noch aus dem eigenen Zimmer sehen will. Ganz zu schweigen von einer Wohnung mit Blick ins Grüne. In Ballungsräumen kaum vorstellbar. Aber vielleicht ja mit etwas Glück?

Die Aussicht von Leon Engler spielt mit diesem Zusammenhang in einem kurzen Monolog, den der Erzähler hier hält. Er beschreibt seine Aussicht auf das Haus gegenüber, in dem überraschend viele Leute sterben. Auch wenn es hier viel um mögliche Gründe oder Implikationen des Blicks geht – am Ende steht doch auch hier, im Blick des Gegenübers, die Ware im Vordergrund. Denn gerade in den Ballungsgebieten sind Wohnungen zu einer Mangelware geworden, die so knapp ist, dass Menschen über Leichen gehen, um eine schöne und bezahlbare, gern auch einfach nur irgendeine Wohnung zu bekommen.

Die Aussicht dämpft die Hoffnungen hier, denn die Konkurrenz ist auch beim Sterben mehr als hart. Die dramaturgische Erfahrung des Autors verhilft dem Monolog dabei zu einem ordentlichen Schwung und einer guten Spannungskurve. [s]

Leon Engler: Die Aussicht | Das Gramm | 16 Seiten | Abo für 24 Euro im Jahr

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Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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