Helene Bukowski: Die Kriegerin

Von Freundschaft und einer Flucht: In ihrem zweiten Roman Die Kriegerin erzählt Helene Bukowski von der Freundschaft zweier Frauen und deren ganz eigenen Wegen durch das Leben.

Helene Bukowski: Die Kriegerin

Alles beginnt mit einer Flucht. Lisbeth haut ab. Sie kann nicht mehr zurück in ihr Leben, ihr Leben, das sie sich durchaus selbst aufgebaut hat. Aber nun kommt ihr alles fremd vor, wie ein Käfig, der sich über die Jahre immer weiter um sie herum zusammengefügt hat und nun kurz davor ist, die Tür für immer zu schließen. So verlässt sie ihren Freund und das gemeinsame Kind und fährt weg. Fährt zunächst an die Ostsee, um dann auf einem Kreuzfahrtschiff anzuheuern und ihrem alten Leben gründlich die kalte Schulter zu zeigen.

Was bringt eine scheinbar auf festen Beinen im Leben stehende Frau dazu, eine solche Entscheidung zu treffen? Die Kriegerin von Helene Bukowski geht genau dieser Frage nach, und schaut dabei nicht nur auf Lisbeth, sondern auch auf ihre Freundin Florentine, genannt »Die Kriegerin«. Diese tritt nach langem Schweigen ganz plötzlich wieder in Lisbeths Leben ein, die beiden bleiben in Kontakt, lassen ihre frühere Freundschaft wieder aufleben. Doch beide leiden auf ihre ganz eigene Art.

In Gesprächen und Briefen der Gegenwartshandlung sowie Kapiteln, die die Vergangenheit immer weiter zurück erzählen, wird die gemeinsame Vergangenheit der beiden langsam erkundet. Der leicht distanzierte Stil aus der dritten Perspektive bleibt immer bei Lisbeth und lässt die Kriegerin eher als Gegensatz stehen, als unnahbare Andere. Und doch wird immer klarer, dass beide ein ganz ähnliches Schicksal teilen, mit dem sie jedoch recht unterschiedlich umgehen.

So wird ihre gemeinsame Zeit bei der Bundeswehr beschrieben, von der Ausbildungszeit, die Lisbeth nicht beenden wird, über Kampfeinsätze und immer mehr Komplikationen bei Florentine. Beide machen Erfahrungen extremer sexualisierter Gewalt. So wird über den Roman hinweg auch immer klarer, was die beiden zu den Personen geformt hat, die sie geworden sind. Ein Leben unter den Augen übergriffiger Männer, in einem System, das diese systematisch deckt und Gegenwehr oft zwecklos erscheinen lässt. So bauen beide ihre Mauern auf.

Die Kriegerin zuckte mit den Schultern. Lisbeth dachte das Wort ›trösten‹, aber konnte es nicht in eine Handlung übersetzen. Ihre Körper war nicht gemacht für diese Art der Berührung.

Die Kriegerin porträtiert damit zwei Frauen, die sehr besonders sind, aber doch ein großes Identifikationspotenzial aufweisen. Sie sind körperlich wie geistig gezeichnet von Narben, die zwar verheilt sind, aber immer wieder aufbrechen können. Mit zahlreichen Metaphern und Leitsymbolen, die sich durch den Roman ziehen, werden diese Zusammenhänge immer weiter verdichtet.

Helene Bukowskis zweiter Roman Die Kriegerin erzählt einfühlsam von zwei Frauen, ihren Leben und ihrer Freundschaft. Doch am meisten dreht sich der Roman um eine gewaltvolle Gesellschaft, in der das Patriarchat die Frauen fürs Leben zeichnet. Aber er zeigt auch, wie das Überleben zusammen möglich sein kann.

Helene Bukowski: Die Kriegerin | Blumenbar | 256 Seiten | 23 Euro | Erschienen im September 2022

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Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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