Ein Hotel, keine Gäste: Strega von Johanne Lykke Holm spielt in einer ganz eigenen, düsteren Einöde und kreiert dort einen Raum voller dunkler Ecken und emanzipativer Freundinnenschaft.
Ein Hotel in den Bergen, versteckt gelegen ein Stück weit weg von Strega, einem verschlafenen Ort irgendwo in den Bergen, irgendwo in Schweden. Das »Olympic«. Es hatte wohl große Zeiten, sieht nobel aus, künstlerisch, international. Hatte. Denn jetzt ist es zwar immer noch groß, immer noch irgendwie überwältigend, aber die wirklich großen Zeiten scheinen lange vorbei. Zum einen, weil der Putz bröckelt, es überall knirscht und kracht. Zum anderen, weil die Gäste fehlen. Es ist alles bereit, täglich wird geputzt, wird aufgebettet und das Besteck poliert. Doch kommen mag einfach niemand.
In dieser Welt finden sich neun Mädchen eines Sommers ein. Sie wurden von ihren Eltern geschickt, um dort, in den abgelegenen Bergen, auf das Leben vorbereitet zu werden. Disziplin und Strenge zu lernen, auch Haushalten, für ein Leben als Frau und Mutter. Wie die Eltern es nicht anders kennen und es für sie immer sein wird. Doch hinter den Mauern des »Olympic« weht ein ganz anderer Wind.
Denn die Mädchen treffen auf eine Belegschaft aus Frauen, die sie zwar durchaus mit harter Hand anfassen. Doch gilt diese nicht ihrer Unterwerfung, ganz im Gegenteil bereiten sie die Mädchen auf eine Welt vor, die ihnen feindlich gesinnt ist und gegen die sie sich zur Wehr setzen sollen. So gehen die Tage dahin in einen beständigen Strom aus Übungen und Lehrstunden. Bis eins der Mädchen verschwindet, vermutlich ermordet wird. Die feindliche Welt bricht ein in das »Olympic« und ändert alles.
Strega von Johanne Lykke Holm ist, wie der kurze Einblick in den Inhalt schon zeigt, ein höchst eigenwilliger Roman. Einer, der sich vor allem durch die beschwörende Sprache der erzählenden Protagonistin und die daraus entstehende, zum Schneiden dichte Atmosphäre auszeichnet. Es passiert im Prinzip nicht viel im »Olympic«, die Tage gleichen einander. Doch wie sie davon berichtet, ist dermaßen ergreifend, dass jede größere Handlung hier nur stören und vom Eigentlichen ablenken würde.
So versinkt man immer tiefer in der – auch wunderbar übersetzten – Stimmung und ergibt sich den Ritualen des feministischen Bootcamps im Hotel. Diese ist vor allem von der starken Bindung der Frauen zueinander geprägt. Sie pflegen eine einnehmende Kameradinnenschaft, die sich gegenseitig stärkt. Darüber liegt allerdings immer eine Art Schleier, ein mysteriöser Nebel über dem »Olympic«. Was etwa passiert mit dem entführten Mädchen? Was hat es mit den Nonnen auf sich, die immer wieder im Wald auftauchen und eher an Hexen erinnern? Wieso kommen keine Gäste?
Antworten gibt es keine in Strega, so viel sei vorweggenommen. Aber die wären auch fehlt am Platze, denn hier geht es nicht um die Schilderung eines Plots, nicht um eine Geschichte. Es geht um das große Ganze, um Patriarchat und Emanzipation, die im Nebel der Atmosphäre zum Greifen nah erscheinen und sich doch entziehen. Ein düsterer Traum.
Johanne Lykke Holm: Strega | Aus dem Schwedischen von Hanna Granz | aki Verlag | 192 Seiten | 24 Euro | Erschienen im September 2022