Dystopie, Krimi Noir, Klimawandel: Wie die Fliegen von Samuel Hamen nimmt sich auf wenigen Seiten viel vor, um neue Verbindungen zu schaffen.
Die Erde ist heiß geworden. In den südlichen Distrikten des Staates werden die heißen Zonen immer unbelebter, die Hitze vertreibt langsam aber sicher das Leben, die Tierwelt starb schon vor Jahren zu großen Teilen aus. Doch noch sind viele Menschen dort, gerade die Jugend leidet jedoch an der Perspektivlosigkeit einer Welt, deren lebenswerte Zonen sich immer weiter zusammenziehen und in welcher der Zugang zu ihr schwerer und schwerer wird. Cheevl ist die Droge der Zeit, sie lässt eine Kühle den Körper durchfluten und die Probleme in angenehmer Gleichgültigkeit aufgehen.
Das Verschwinden eines jungen Mannes durchbricht die Einöde. Ein Ermittler wird in die Peripherie geschickt, um den Fall aufzuklären. Dabei stößt er auf die verschiedensten Gestalten, auf Untergrundorganisationen, verschwörerische Gruppen und mauernde Teenager. Jeder Strahl Licht, den seine Ermittlungen in den Fall werfen, scheint die Dunkelheit drum herum nur noch dichter zu machen. Auf jeden Schritt nach vorn folgen zwei Schritte zurück, was die inneren Dämonen und Zweifel des Ermittlers nur noch mehr anstachelt. Und sein Auftraggeber, die allmächtige I.L.E., rutscht auch zusehends in ein zweifelhaftes Licht.
Wie die Fliegen von Samuel Hamen operiert mit einer überaus düsteren Farbpalette. Die Welt des Romans ist getaucht in existenzielle Dunkelheit, in düstere Schwüle, die allen Personen zusetzt und die Geschwindigkeit entsprechend auf einem sehr niedrigen Level hält. Dies betrifft die Schilderung der Welt durch den erzählenden Ermittler genauso wie ihn selbst. Er bleibt weitestgehend unbeschrieben, mehr ein Schatten als ein wirklicher Charakter, durchzogen von Zweifeln und Unsicherheit schlingert er durch seinen Fall und den Roman.
Die Kombination aus Langsamkeit, Dunkelheit und Ziellosigkeit lässt Wie die Fliegen nie in einen wirklichen Flow kommen. Der Roman ist stilistisch ein ganz typischer Krimi Noir, mit dunklem Außen, das das dunkle Innen des Protagonisten widerspiegelt, und einem Fall, der in immer tiefere Abgründe führt. Dazu ist er eine Dystopie, deren World-Building möglichst organisch in die Geschichte eingebunden werden soll. Der gute Ansatz geht aber leider nicht komplett auf, da die Informationen über die Welt des Romans extrem langsam zusammenkommen und zumindest ich dadurch immer schon wieder die Hälfte vergessen hatte.
Dass der Roman dabei aber mit unter 200 Seiten sehr kurz ist, spricht leider auch nicht für ihn. Denn die 200 Seiten kamen mir sehr lang vor. Und auch wenn das das Grundgefühl der Jugend in der dystopischen Welt, die von Klimawandel und Korruption gebeutelt ist, wunderbar spiegelt, ist das für mich doch kein Qualitätskriterium. So bleibt Wie die Fliegen für mich ein ambitionierter Versuch, der leider an den zu hohen Zielen scheitert. Aus herstellerischer Sicht hat mich die Innengestaltung auch irritiert, die anscheinend die Dunkelheit in den Text holen wollte, durch die sehr fette Type mit eng gesetztem Text aber leider nur eine schlechte Lesbarkeit erreicht und das Auge unnötig anstrengt. Schade, denn thematisch war hier viel drin.
Samuel Hamen: Wie die Fliegen | Diaphanes | 200 Seiten | 18 Euro | Erschienen im April 2023