David Schalko: Bad Regina

Ein untergehendes Dorf in Österreich: David Schalko erzählt in Bad Regina satirisch von menschlichen Abgründen in der österreichischen Provinz, reproduziert dabei aber leider diskriminierende Stereotype am laufenden Band und vergisst darüber auch noch den Plot.

Schalko, Bad Regina

Bad Regina. Das ist Österreich in Reinform, das ist ein malerisches kleines Städtchen mit einem Grandhotel, das top Service bietet. Das sind Bergpanorama, kulinarische Spezialitäten, und das ist auch toller Apès-Ski in ebenso ausgefallenen wie einladenden Etablissements. Österreich wie aus dem Hochglanzkatalog.

Leider ist dem Katalog aber der Glanz entwichen, die schönen Jahre sind lange vorbei. Die Häuser rotten vor sich hin, das Grandhotel ist kurz vor dem Abriss, die Menschen zum größten Teil weggezogen, irgendwo anders hin, wo es noch Leben gibt. Zurückgeblieben sind die Hartgesottenen, diejenigen, die ihre Häuser nicht an einen sagenumwobenen Investor verkaufen wollen oder schlichtweg keine anderen Optionen haben. So fristen sie in Bad Regina nun ihr trostloses Dasein und erzählen sich von besseren Zeiten. Bis sie darauf kommen, dem Spuk ein Ende zu bereiten und den ominösen Investor zu kidnappen.

David Schalko umreißt im Roman Bad Regina zunächst die Szenerie, also das Dorf, anhand der verbliebenen Bewohner*innen. Diese sind alle sehr unterschiedlich, doch sie eint über das Schicksal der Zurückgelassenen hinaus noch, dass sie alle ziemlich speziell sind. Die Beschreibung der Figuren ist dabei durchweg karikaturistisch überzeichnet, sodass von vornherein klar ist, womit wir es hier zu tun haben: einer Satire, Karikatur, oder vielleicht am ehesten noch einer Provinzposse.

Der letztgenannte Begriff passt für mich am besten, da er auch schon den abfälligen Blick beinhaltet, mit dem in Bad Regina das Figurenensemble geschildert wird. Sie werden geradezu vorgeführt in ihren rechtslastig konservativen bis zuweilen auch vulgär linken Ansichten, ihrem Rassismus, Sexismus, Ableismus – you name it. Der Roman begnügt sich für gut 250 von 400 Seiten damit, nur diese Defizite auszustellen, Plot gibt es hier praktisch keinen, Figurenentwicklung aber auch nicht, denn es wird nur beschrieben und bloßgestellt.

Der Plot kommt dann ganz am Ende noch in Gang, die Auflösung beschwört die unverarbeitete Zeit des Nationalsozialismus in Österreich herauf und stellt damit alles zuvor Gelesene noch schnell auf eine höhere Warte. Leider können diese letzten paar Seiten für mich einen Roman voller diskriminierender Stereotype aber nicht auf links drehen, nur weil ein vertriebener Jude als Rächer auftritt.

Bad Regina ist für mich weder witzig noch sonst irgendwie erhellend, denn das alles hat man ja schon sehr oft und viel besser gelesen. Es stellt sich also die Frage, wozu man sich heute noch in solchen Beschreibungen ergehen sollte, die auch vor den diskriminierendsten Begriffen nicht zurückschrecken und diese fröhlich reproduzieren? Mir fällt da leider nichts ein. Im Nachhinein übrigens auch nicht, warum ich den viel zu langen Roman nicht viel früher abgebrochen habe.

David Schalko: Bad Regina | Kiepenheuer & Witsch | 400 Seiten | 24 Euro | Erschienen im Januar 2021

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Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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